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Das Doping-Interview: Schatten der Sportwelt

Der Schatten, den das Wort „Doping“ mit sich zieht, reicht einmal um den Globus. Kaum eine Nation ist frei von „Sündern“. Irgendwie scheint sich aber nicht wirklich viel zu ändern. Auch das Geständnis von Lance Armstrong hat nicht das bewirkt, was sich viele erhofften. Mit dem Sportmediziner des Olympiazentrums Salzburg, Dr. Thomas Sinnißbichler, haben wir uns im Exklusiv-Interview über Probleme für den Sport, Gefahren, Gendoping und unangenehme Fragen unterhalten. Das Thema Doping unter mehreren Lupen.

Hallo Herr  Dr.Sinnißbichler. Wie geht man im Olympiazentrum Rif in Salzburg mit dem Thema Doping um? Gibt es da auch Aufklärungsarbeit oder eigene Tests?

Doping InterviewEigene Tests können wir leider nicht machen, da wir kein Labor dafür haben. Aufklärung gibt es natürlich schon. Wir sind ja auch gleichzeitig ein Universitätszentrum. So fand zum Beispiel erst vor einigen Tagen der letzte Vortrag zum Thema Doping statt. Nicht zuletzt dadurch wissen die Athleten über die Problematik Bescheid.

Wie würde vorgegangen, wenn der Verdacht auf Doping bei einem Sportler besteht?

Das ist in den jeweiligen Verträgen verankert. Eine Verweis vom Olympiazentrum ist aber eine logische Konsequenz.

Interview Doping Olympia ZentrumWelche Möglichkeiten zu dopen gibt es überhaupt?

Da gibt es natürlich die altherkömmlichen Mittel wie Amphetamine, die als Stimulantien ähnlich wie körpereigene Stresshormone wirken. Dann sind da jene Substanzen, welche die Ausdauer verbessern, wie das EPO. Aber da gibt es mittlerweile schon über 150 bekannte Derivate (Abwandlungen, Anm.). Testosteron und Steroide sind ebenfalls immer noch sehr beliebt. Auch, weil die ganzen Abwandlungen schwer kontrollierbar sind.

Das heißt, wenn sich ein Dopingmittel nur leicht ändert, ist es schon nicht mehr aufspürbar?

Genau. Es reicht eine OH- oder CO2-Gruppe im Bausatz dran zu hängen. Die Gefahr geht da vor allem von den kleinen Labors aus, die im Untergrund arbeiten und Designerdrogen herstellen, die nicht nachweisbar sind.

Wird man das überhaupt irgendwann unter Kontrolle bringen können?

Es sieht eher so aus, als würde man da ständig nachlaufen. Die Medizin entwickelt ja auch immer neue Mittel, um Krankheiten zu heilen. So werden zum Beispiel bestimmte Muskelkrankheiten mit Myosin oder einem Eingriff in die Genstruktur unter Kontrolle gebracht. Diese Erkenntnisse kommen dann über Umwege auch in die Hände von Sportlern.

Ist Gen-Doping mittlerweile ein aktuelles Thema?

Ja, Gen-Doping ist sehr aktuell. Die Kontrollen gestalten sich hier zur Zeit schwierig. Beim Gen-Doping wird ja quasi ein Virus in den Körper geschleust, der sich dann im Zielorgan festsetzt und das Gen manipuliert. So kann etwa ein Myosin blockierendes Gen ausgeschaltet werden und der Muskel wächst.

Wie sieht es da mit den Nach- und Nebenwirkungen aus?

Doping im BreitensportWir können schon bei den herkömmlichen Dopingmitteln nicht genau sagen, welche Nebenwirkungen mit der Zeit mit welcher Bestimmtheit auftreten. Klar, beim Wachstumshormon HGH wachsen die Muskelpartien. Aber auch Nase, Kinn, Kiefer sowie Hände und Füße bekommen Übergröße. Auch die inneren Organe können wachsen.  Am deutlichsten macht sich das am Gebiss bemerkbar. Da sieht man auch etwa bei 30-Jährigen dann schonmal eine Zahnspange. Beim Gen-Doping haben wir aber noch gar keine Ahnung. Alle neuen Entwicklungen sind besonders gefährlich. Als Beispiel: Eine Substanz namens S107 dichtet etwa die Kalziumkanäle im Herz so ab, dass man keinen Kalziumverlust hat. So steigert sich die Ausdauer um 30 bis 40 Prozent. Für Leute, die an Herzinsuffizienz leiden ist das natürlich ein Segen. Was es mit einem gesunden Sportler macht, können wir nicht mit Bestimmtheit sagen.

Wie landen diese medizinischen Produkte überhaupt bei den Sportlern?

Da muss man wahrscheinlich nur der Spur des Geldes folgen. Neue Substanzen zu entwickeln kostet natürlich. Und irgendwo muss auch wieder Geld zurückfließen. Eine Lücke tut sich außerdem immer irgendwann einmal auf. Arzt, Wissenschaftler – die Schwachstelle kann überall liegen. Leider.

Wo liegen die Unterschiede beim Trainings- und Wettkampfdoping?

In der Trainingsphase wird versucht möglichst viel an aktiver Muskulatur aufzubauen. Das ist vor allem in Ländern möglich, wo die Kontrollen etwas nachlässiger sind – auch wenn man als Sportler immer angeben muss, wo man sich gerade befindet. Südafrika ist deshalb etwa ein gerne besuchtes Trainingsland.

… viele hätten als solches Land auch Jamaika auf der Rechnung. Ist es ein Zufall, dass die schnellsten Sprinter von der Insel kommen?

Es kann schon einen Zusammenhang geben. An der Stelle muss aber auch erwähnt werden, dass hier der genetische Vorteil eine Rolle spielt. Das geht einige Jahrhunderte zurück, als man viele Menschen von Afrika nach Jamaika verschleppte. Nur die stärksten überlebten damals den Transport und in weiterer Hinsicht die harte Arbeit als Sklaven. (rund 91% der heutigen Einwohner stammen von afrikanischen Sklaven ab, Anm.) So wurden die Gene weitergegeben.

Finden Sie, dass die Strafen mittlerweile die richtigen Ausmaße angenommen haben?

Erst vor kurzem wurde beschlossen, die Strafen von zwei auf vier Jahren zu erhöhen. Das finde ich angebracht. Wenn jemand mit 24 erwischt wird und erst mit 28 wieder einsteigen kann, ist das natürlich schon ein enormer Unterschied. In Wahrheit kommt er wahrscheinlich gar nicht mehr zum Zug.

Stichwort Breitensport: Wie weit verbreitet ist Doping dort?

Doping Interview ExperteBeim Breitensport spricht man nicht von Doping, sondern von unerlaubter Medikamenten-Einnahme. Da ist eine Grenze etwas schwieriger zu setzen. Ich kann mich an eine Studie von vor einigen Jahren erinnern, deren Initiatoren die Teilnehmer des Berlin Marathons fragten, ob sie Medikamente einnehmen würden. 60 Prozent sagten ja. Das fängt natürlich bei Voltaren oder Vitamin C Präparaten an. Aber keiner weiß, wie weit das geht. Eine andere Studie schätzt den Anteil jener, die Mittel zum Muskelaufbau nehmen auf etwa 40-50 Prozent.

Was ist mit Nahrungsergänzungsmitteln?

Als Orthomolekularmediziner kann ich sagen: es hilft, wenn man es seriös betreibt. Eine Blutabnahme, um die Defizite des Körpers festzustellen, ist dafür aber sicher notwendig. Wenn man zum Beispiel Probleme mit dem Vitamin B Stoffwechsel hat, kann man das mit Nahrungsergänzungsmitteln substituieren. Wettkampfsportlern, die durch die Welt reisen, oder Hallenathleten, denen das Sonnenlicht und somit das Vitamin D fehlen, hilft das auch. Das ist aber alles eher eine Gesundheitssache. Keine Form von Leistungssteigerung. Das bringt auch im Breitensport nichts.

Ist Doping auch ein Problem für den Nachwuchssport?

Das ist schwer zu sagen. Man weiß natürlich nicht, was hinter verschlossenen Türen abgeht. Früher haben zum Beispiel Trainer  Jugendlichen in Osteuropa – sobald sie die richtige Höhe fürs Reissen beim Gewichtheben hatten – Testosteron verabreicht, um die Wachstumsfuge zu schließen. Das ist schon sehr widerlich und ein Verbrechen am Sport.

Dr.-Sinnißbichler-Doping-InterviewWenig aufgegriffen wird das Thema Doping im Alpinismus. Etwa beim Bergsteigen. Gibt es dazu irgendwelche Fälle?

Diamox, Dexamethason und Amphetamine werden als Triple-Mix für die Achttausender hergenommen. Das soll der Höhenkrankheit entgegenwirken die eintritt, wenn man zu schnell auf den Berg hinaufgeht. Wenn man sich den Aufstieg aber so „erkauft“, kann es gut sein, dass man den Abstieg nicht mehr erlebt. Abgesehen davon ist ja eigentlich auch der Aufstieg mit Sauerstoffunterstützung als Doping zu werten. Wenige schaffen die höchsten Berge im reinen alpinen Stil.

Was sagen Sie zu der Idee einzelner Stimmen die fordern, Doping zu legalisieren?

Das wäre fatal. Denn dann beginnen die Pharma-Firmen nicht mehr nur nach Mitteln zu suchen, die gesund machen, sondern auch nach solchen die stärker und besser machen. Neben den körperlichen Auswirkungen – wie Hodenverkleinerung beim Mann, oder die Vermännlichung der Frau – gibt es außerdem noch zahlreiche psychologische Schäden, die auftreten können. Das wäre unter keinen Umständen der richtige Weg.

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