Trotz des guten Ergebnisses hatte Stefan Kirchmair mit dem Supergiro Dolomiti zu kämpfen. Heftiger Regen, ein angriffslustiger Bernhard Kohl und die eisige Kälte machten den Radmarathon zum Höllenritt.
Vom Trainingslager zum Supergiro
Mein Team und ich reisten zum Supergiro Dolomiti direkt vom Trainingslager in den Dolomiten im Hotel Melodia del Bosco an. Dort hatte ich zwar meinen Laptop geschrottet, ansonsten verlief das Camp allerdings sehr erfolgreich. Endlich konnte ich dort wieder einmal lange Bergeinheiten trainieren. Eigentlich habe ich damit gerechnet, dass sich die 30.000 Höhenmeter in den neun Tagen spätestens jetzt auswirken würden. Dennoch schien bei meiner traditionellen Einfahrrunde am Vortag des Supergiro Dolomiti vom Tristacher See nach Lienz trotz 65 Stunden im Sattel und 1.250 Kilometer in den Beinen die Fitness zu passen. Dass ich dank einer Einladung und dem damit verbundenen „Networking“ spät ins Bett kam und früh wieder aufstand, hat mittlerweile auch Tradition.
Flucht nach vorne
Die zweite Auflage des Supergiro Dolomiti in Lienz hatte für seine Teilnehmer einiges zu bieten. Nicht nur 232 beinharte Kilometer durch Osttirol, Kärnten und das italienische Friaul mit steilen und schwierigen Anstiegen waren zu überwinden. Auch das Wetter zeigte sich in diesem Jahr nicht so gnädig. Nichtsdestotrotz erfolgte um 6:35 Uhr der Start in Lienz. Ich entschied mich für die Flucht nach vorne, um dem Anfangsgetümmel aus dem Weg zu gehen. Der Motor war sofort auf Touren und bald konnte sich eine Gruppe von 50 Leuten absetzen. Zwischendurch ließ ich mich etwas zurückfallen, um kurz was zu essen und setzte mich rechtzeitig vor dem Anstieg auf den Gailbergsattel wieder an die Spitze.
Führungsarbeit beim Supergiro
Nach der schnellen Abfahrt übernahm ich im Anstieg zum Ligosulla erstmals die Führungsarbeit. Niemand sonst ergriff die Initiative und ich steigerte das Tempo, bis irgendwann nur mehr Bernhard Kohl an meinem Hinterrad klebte. Das Feld zerbrach in viele kleine Gruppen und auch das Wetter begann sich zu verändern: Tiefschwarze Wolken hingen in den steilen Bergflanken des friulanischen Kalksteins.
Während wir an der Spitze des Rennens Pontebba erreichten und den Anstieg auf das Nassfeld in Angriff nahmen, setzte erstmals Regen ein und verwandelte die ohnehin berüchtigte Abfahrt des Lanzenpasses in eine richtige Herausforderung für Mensch und Material. Spätestens nach der Abfahrt ins Lesachtal war wohl allen Beteiligten eines klar: Der Regen war kein willkommener Schauer zur Abkühlung, sondern sollte die restliche Strecke zu einer ganz besonderen Herausforderung werden lassen.
Duell mit Bernhard Kohl
Der Vorsprung auf das Verfolgerfeld betrug laut Bernhard Kohls Team etwa drei Minuten. Aus irgendeinem Grund konnte ich dennoch keine Fahrer hinter uns ausmachen. So führten wir eine ganze Weile einsam den Supergiro Dolomiti an. Als mir das Essen ausging und der Regen immer stärker wurde, versorgte mich der Begleitwagen von Bernhard Kohl mit Nahrung und einer Jacke – ein feiner Zug!
Mittlerweile hatte sich der Vorsprung auf sieben Minuten ausgeweitet und Kohl begann erstmals die Führungsarbeit zu übernehmen. Im zweiten Teilstück einer Rampe begann der Ex-Profi das Tempo zu erhöhen und völlig überraschend einen Angriff zu starten. Wir waren 60 Kilometer vor dem Ziel mit fast zehn Minuten Vorsprung – wieso jetzt? Mir zog der Alleingang jedenfalls den mentalen Stecker und ich musste mich überwinden, den Supergiro Dolomiti nicht einfach sein zu lassen.
Mit letzter Kraft
Mir war übel und ich zwängte mich mit letzter Kraft in die Regenjacke, um nicht ganz auszukühlen. Meine einzige Motivation war die Sauna im Hotel, die aber noch mindestens zwei Stunden von mir entfernt war. Bei jedem Auf und Ab drehte sich mein Magen um und so kämpfte ich mich irgendwie bis nach Leisach vor. Dort kam allerdings, was kommen musste: Daniel Rubisoir zog samt Begleitmotorrad und zwei Kurzstreckenfahrern an mir vorbei. Mit letzter Kraft hängte ich mich dran und quälte mich irgendwie ins Ziel. Der dritte Platz Gesamt und der Klassensieg waren mir zu diesem Zeitpunkt ebenso egal wie der Zielsprint von Rubisoir, der sich dadurch Rang zwei sicherte.
In Begleitung unserer Betreuerin Martina schaffte ich es irgendwie noch ins Rettungszelt – und wenig später ins Hotel. Die positive Nachricht vom Sieg meiner Teamkollegin Monika Dietl bei den Damen erreichte mich in der so herbeigesehnten Dusche. Das Wichtigste war für mich an diesem Tag allerdings, dass alle gesund im Ziel landeten.
Stefan
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