Die Traditionsmarke Dachstein war in den 80er Jahren eine der bekanntesten und erfolgreichsten Schuhmarke im Ski- und Bergsport. Einige Jahre später wurde es ruhig um den Österreichischen Schuhhersteller. Wie 2013 die Neuopositionierung gelang, auf welche Erfolgsfaktoren das neue Dachstein Team setzt und wohin die Reise führt, erzählt Dachstein-Designer Christoph Döttelmayer im Interview.
Lange Zeit war es still um Dachstein. Wann und wie wurde die Marke wieder zum Leben erweckt?
Das war vor circa zwei Jahren. Zuvor gehörte Dachstein zur Deeluxe Sportartikelhandels GmbH und wurde dann 2013 von der Austro Holding als eigenständige Tochterfirma herausgelöst. Mit der Neupositionierung entstand auch ein komplett neues Team unter unserem Geschäftsführer Dr. Oliver Wieser, derzeit sind wir 9 Angestellte in Österreich.
Welchen Einfluss hat die lange Geschichte der Marke Dachstein auf die Neupositionierung?
Ich glaube, das hat einen sehr großen Einfluss! Schließlich ist Dachstein noch vielen von früher bekannt – alleine schon wegen der glorreichen Zeiten im Skisport. Die Geschichte, die ja bereits im Jahr 1925 begonnen hat, trägt viel dazu bei, dass wir jetzt hier stehen und wird auch die Zukunft der Marke prägen.
Was genau sind deine Aufgaben bei Dachstein?
Ich kümmere mich um das Design, Entwicklung und das Produktmanagement generell. Im Klartext heißt das: Ich begleite einen Schuh von der Ideenfindung, über die Zeichnungen bis hin zum fertigen Serienmodell.
Dachstein präsentiert sich seit der „Wiedergeburt“ mit einem neuen Gesicht. Wie seid ihr in der Designabteilung an das Thema „Neustart“ herangegangen. Was waren die ersten Schritte?
Am Anfang stand natürlich die Überlegung: Was wollen wir mit der Marke und den Produkten erreichen? Dachstein hat ja eine lange Tradition, gepaart mit Innovation und Leidenschaft. Unser Ziel war von Anfang an, jeden Schritt in den Bergen zu einem „unique step“, also einzigartig, werden zu lassen. Bergsteigen ist für uns kein Wettkampf, sondern eine Lebensform. Um das zu verdeutlichen, haben wir uns in weiterer Folge dann auch unsere beiden Ambassadors Andy Holzer und Hannes Arch dazugeholt.
2015 erscheint die neue Designlinie. Betrachtet man sie im Detail, erkennt man viele wiederkehrende Bestandteile. Welche Farben und Elemente wurden verwendet und warum?
Mit der neuen Designlinie wollen wir vor allem ein Statement setzen: Wir sind wieder da! Dachstein ist zurück und will sich seinen Platz am Markt sichern. Die Details machen das Design aus. Dafür haben wir Elemente kreiert, die sich in Zukunft durch die kompletten Kollektionen ziehen werden. Diese Elemente haben in den einzelnen Kategorien teilweise unterschiedliche Funktionen – so sorgt etwa das vom neuen Logo abgeleitete Dreiecks-Pattern beim Approach-Modell „Spürsinn“ für Ventilation, während es beim Lifestyle-Schuh rein der Optik dient. Neu sind außerdem auch das Color-Blocking, das Design der Flexzonen und auch die Logo-Position.
Wie viele Produkte wird sie umfassen und was verbindet diese miteinander?
Momentan sind es insgesamt zehn neue Modelle für Frauen und Männer in verschiedenen Farben. Neu ist etwa ein bedingt steigeisenfester Mountaineering-Schuh, der unsere Produktpalette nach oben hin abrundet. Unser Ziel ist es, Schuhe „aus den Alpen für die Alpen zu machen“ – also für Touren bis etwa 4.000 Meter Höhe. Weitere Highlights sind unsere 90-Jahres-Kollektion und das mit unseren Ambassadors Andy Holzer und Hannes Arch entwickelte Modell Spürsinn.
Das Thema 90er-Jahre wurde bestimmt nicht zufällig gewählt. Wieso die Rückbesinnung?
Kommendes Jahr, also 2015, ist das 90-jährige Jubiläum von Dachstein – das wollen wir natürlich entsprechend feiern. Deshalb haben wir beschlossen, zu diesem Anlass eine ganze Kollektion herauszubringen, die von der Mountaineering- bis zur Lifestyle-Kategorie reicht. Ziel war es, eine Retro-Linie aufzubauen, die die Optik von früher mit den Technologien der Gegenwart vereint.
Was genau kann man in der Retro-Kollektion im Vergleich zu früher wiedererkennen?
Es gibt einige Elemente von damals, die wir in die neue Kollektion eingearbeitet und mit neuen Materialien, wie etwa Neopren und einer PU-Sohle, kombiniert haben. Auch die Farben finden sich wieder, etwa das spezielle Hellbraun mit den traditionellen roten Schuhbändern. Als Vorbild diente beim Design das Modell „Nordwand“, das viele noch aus ihrer Kindheit kennen – ein heller Lederschuh mit roten Schuhbändern, der vor allem auch durch das Lederinnenfutter besticht.
Welche Schritte durchläuft ein Schuh in seiner Entwicklung von der Idee bis zur Serienproduktion?
Auf die Grundidee folgt zunächst die sogenannte Research-Phase. Da sucht man zum Beispiel nach bereits bestehenden Modellen und neuen Materialien, die man einbauen könnte. Darauf folgt der Design-Prozess, wo es darum geht, nicht nur die Form zu finden, sondern auch gewisse Technologien und Passformen umzusetzen. In unserem Fall muss hier auch die Einarbeitung unserer Design-Sprache berücksichtigt werden, die Kollektion soll schließlich einheitlich wirken. Vom finalen Design geht es dann weiter in die Entwicklungsphase mit einzelnen Muster-Runden, wo in bis zu vier Korrekturdurchgängen nach dem Trial-and-Error Prinzip vorgegangen wird. Besonders wenn man an einer völlig neun Form arbeitet, verschlingt dieser Prozess viel Zeit. Der nächste Schritt ist dann die Präsentation der Modelle auf Fachmessen, wie etwa der OutDoor. Danach werden noch kleinere Änderungen, die aus weiteren Tests – nämlich jenen am Berg durch ausgewählte Testpersonen – hervorgehen, berücksichtigt und schließlich wird dann die Produktion gestartet. Der ganze Prozess der Schuhherstellung dauert etwa zwei Jahre.
Wie lange dauert es, eine ganze Design-Linie neu zu erschaffen?
Entstanden ist die neue Design-Linie im Rahmen der Konzeption der 2015er Modelle. Seitdem ist das Ganze ein fortschreitender Prozess.
Inwiefern ließen sich Visionen und Ideen in der neuen Kollektion komplett verwirklichen und wo musstest du Abstriche machen?
Bei Dachstein habe ich das Glück, dass meine Ideen am Ende fast immer verwirklicht worden sind. Meine Überlegungen im Vorfeld sind aber auch ziemlich gründlich: Wie passen die Modelle untereinander zusammen? Welche unserer Technologien werden verbaut? Wie können wir in Bezug auf Innovationen einen Schritt weitergehen und uns so von den Mitbewerbern abheben? Natürlich fallen dann zum Beispiel bei den Teammeetings auch wieder einzelne Designs raus – das Ganze ist eigentlich wie eine Evolution zu sehen.
Wie wirken sich Vorgaben zur Funktionalität auf den Designprozess aus?
Die Vorgaben zur Funktionalität werden schon am Beginn der Design-Überlegungen berücksichtigt … das Ganze verschmilzt. Das ist auch etwas, das Dachstein auszeichnet. Als kleines Team machen wir alles selbst und begleiten den Prozess, bis ins kleinste Detail, vom Anfang bis zum Ende.
Wie viel Einfluss haben eure beiden Ambassadors Hannes Arch und Andy Holzer auf deine Arbeit?
Einen sehr Großen! Gerade von solchen Athleten kann man am meisten lernen und bekommt ehrliche Rückmeldungen. Andy und Hannes wollen jeweils in ihrem Bereich, auf ihre Art und Weise, immer die Besten sein, sie streben nach Perfektion – und wir versuchen, ihnen die besten Schuhe zu liefern, um sie genau dabei zu unterstützen. Das Feedback, das man von einem Athleten bekommt ist ganz anders als jenes von Konsumenten. Unsere beiden Ambassadors tragen und testen das Produkt bis ans Limit. Wenn es dann für den Athleten passt, kann man sich sicher sein, dass es auch den normalen Konsumenten garantiert zufrieden stellt und hoffentlich auch begeistern wird.
Wie seid ihr auf Hannes Arch und Andy Holzer gekommen?
Beide schreiben unglaublich spannende Geschichten, und prägen damit auch unsere „Unique Steps“. Andy hat, vor allem aufgrund seines Handicaps, ein unglaubliches Feingefühl und eine außergewöhnliche, bewundernswerte Einstellung zum Leben. Er setzt jeden einzelnen Schritt ganz bewusst und erspürt mit Händen und Füßen das Gelände, in dem er sich bewegt. Diese Fähigkeiten sind für uns natürlich extrem nützlich, so konnten wir zum Beispiel mit dem Spürsinn einen sehr leichten, feinfühligen Schuh entwickeln. Und der Hannes kommt ja ursprünglich aus dem Bergsport, ist ebenfalls Österreicher und absolviert sehr viel seines Trainings draußen im Gelände – und bringt als staatlich geprüfter Bergführer sehr viel Know-How mit ein.
Wie kann man sich die Kommunikation zwischen dir und den Athleten vorstellen?
Beim ersten Kennenlernen erkundige ich mich zunächst bei den Athleten nach ihren Bedürfnissen: Was brauchen sie? Welche Produkte benutzen sie aktuell und wie kann man diese verbessern? Bei unserem „Spürsinn“ zum Beispiel waren die Beiden sehr stark integriert. Mit diesem Modell haben wir eine völlig neue Kategorie – zwischen Approach und Trailrunning – geschaffen. Es geht ja nicht immer darum, wie schnell man irgendwo oben ist, sondern um den Weg dorthin. Während der Entwicklung habe ich Andy und Hannes immer wieder getroffen und ihr Feedback eingeholt. Nun sind wir bereits am Ende der Testphase, in der sie die Schuhe richtig ans Limit bringen.
Einen ersten Kontakt mit der Öffentlichkeit hatte die neue Designlinie auf der „OutDoor“-Messe in Friedrichshafen. Wie habt ihr die Kollektion dort präsentiert?
Als Eye-Catcher haben wir die 90er-Jahre Kollektion mit den drei verschiedenen Modellen Nordwand 2.0, Ramsau 2.0 und Johann & Anna präsentiert und zum Vergleich auch das alte Nordwand-Modell aus den 70ern ausgestellt. Für den Spürsinn haben wir ebenfalls eine eigene Präsentationsfläche kreiert, bei der die Leichtigkeit und die exklusiv mit Vibram entwickelte Sohle hervorgehoben wurden. Abgesehen von diesen Highlights war der Stand in die Kategorien Mountaineering, Hiking, Approach und Lifestyle gegliedert. Im Rahmen eines Pressefrühstücks mit Hannes Arch konnten wir den Medienvertretern außerdem die neuen Modelle präsentieren.
Wie waren die ersten Reaktionen?
Ich denke sehr gut.
Welche weiteren Produktentwicklungen sind geplant, um das neue Gesicht Dachsteins in der Bergwelt dauerhaft zu etablieren?
Aktuell arbeiten wir intensiv an der Herbst/Winter-Kollektion für 2015/16. Im Sport wird es das Modell Spürsinn dann auch als Wintermodell geben, darüber hinaus ist auch ein Ausbau des funktionalen Lifestyles mit Verwendung von traditionellen Materialien, wie zum Beispiel österreichischem Loden, geplant. 2016 werden wir den begonnenen Weg weiter fortsetzen und schärfen – es warten in der Zukunft auf jeden Fall extrem spannende Themen auf alle Bergsportbegeisterten. In weiterer Folge planen wir für die für die Entwicklung 2017 mit dem „ISPO Open Innovation“-Projekt durch das sogenannte „Crowd Sourcing“ auch den Konsumenten in die Produktentwicklung miteinbeziehen.