Schwierige Zeiten – sei es eine Pandemie, die den ganzen Planeten betrifft oder ein persönliches Schicksal – belasten die Psyche. Als Gegengewicht zur mentalen Ausnahmesituation wird oft der Sport ins Spiel gebracht. Was steckt dahinter?
Der anatomische Faktor
Um die Wirkung des Sports auf die Psyche zu bewerten, führt der Weg zunächst zum Offensichtlichen: der Biologie. Wird der Körper über einen längeren Zeitraum in Bewegung versetzt, hat das unmittelbare Auswirkungen auf die Vorgänge im Organismus. Bekannt ist etwa längst, dass die Durchblutung des Hirns verbessert und die Ausschüttung von Endorphinen verstärkt wird. Das Resultat: eine gesteigerte geistige Leistungsfähigkeit und weniger Anfälligkeit für destruktives Gedankengut. Kurz: Die Stimmung hebt sich.
Besser als gedacht
Weitere Studien haben gezeigt, dass die produktiven Funktionen des Sports noch über das Allgemeinwissen hinausgehen. Wie vom Facharzt für Psychiatrie Thomas Lukowski von der TU München zusammengefasst, wirkt sich Bewegung noch deutlicher auf die Psyche aus, als allgemein bekannt. Wesentliche Punkte sind dabei unter anderem:
- Verdickung der Synapsen (z.B. positive Wirkung auf das Langzeitgedächtnis)
- Beeinflussung von Serotoninsynthese (z.B. Schutz vor Depression)
- Endorphinausschüttung (z. B. Erhöhung der Schmerzschwelle)
- Erhöhung des Endocannabinoids (z.B. Wirkung auf das Belohnungssystem)
"Ich krieg' die Krise"
Diese positiven Faktoren sind eine willkommene Nachricht für alle Sportler und jene, die gerade dabei sind, ihre Motivation zu finden. Aber wie wirkt sich das ganze in Krisenzeiten aus? Denn diese haben ihre eigenen Regeln. Hamsterkäufe während der Pandemie, das Gefühl der Ohnmacht: „Menschen versuchen, irgendwie die Kontrolle wiederzuerlangen“, sagt Umweltpsychologin Isabella Uhl-Hädicke von der Uni Salzburg in der Zeit.
Die Ausgangslage ist also in Zeiten wie diesen besonders schwierig – was den Sport als Ablassventil und Glücksbringer noch wichtiger macht.
Wie hilft der Sport?
Für den Sportler selbst sind biologische Begriffe und psychologische Definitionen freilich wenig relevant. Was zählt ist, wie sich das eigene Empfinden ändert. Um das rauszufinden, hat die Sportnahrungsmarke Myprotein eine Studie mit 500 Sportlern durchgeführt.
99 % stimmten zu, dass Sport & Fitness zumindest manchmal zum psychischen Wohlbefinden beiträgt. Wobei das Geschlecht eine wichtige Rolle spielen kann. So behauptet ein Viertel der 18- bis 24-Jährigen, dass Fußball zum Wohlbefinden beitrage, während das bei den Frauen nur 3 % angeben.
Auch die Alters-Demographie spielt eine Rolle: 2 % der unter 35-Jährigen wählten Golf als Stimmungs-Aufheller; bei den über 55-Jährigen waren es fast 20 %. Und auch die Belastung macht einen Unterschied, wie das „Beliebtheits-Podium“ zur Förderung des psychischen Wohlbefindens zeigt:
1. Krafttraining – 76 %
2. Ausdauer (Laufen, Gehen, Fitness-Cardio) – 47 %
3. Schwimmen – 20 %
Die Kehrseite: Belastung durch Sport
Prinzipiell ist die sportliche Betätigung also ein positives Gegenmittel zu vielen psychischen Wermutstropfen. Dennoch hat auch sie eine Kehrseite. Die außergewöhnliche Situation kann Sportler auch in übertriebenen Ehrgeiz bringen. Das ist aus mehreren Gründen problematisch. Einerseits, weil das eigene Selbstwertgefühl an die Leistungen geknüpft wird und zweitens, weil eine zu hohe Erwartungshaltung an sich selbst nicht nur in psychischen, sondern auch in körperliche Schäden resultieren kann. Ein Übertraining oder sogar Ermüdungsbrüche stehen am Ende einer schwarzen Liste an potenziellen Gefahren.
Sport als Ergänzung zur Verhaltensänderung
Wie also umgehen mit Krisen? Sofern man nicht in Übereifer abdriftet, ist Sport in fast allen Fällen eine gute Idee. Bewegung alleine ist allerdings auch kein Allheilmittel. Experten wie der Psychologe Rolf van Dick betonen, dass sich auch das Verhalten ändern muss – und sich über kurz oder lang auch wird: „Man ist erst einmal geschockt, hält sich dann aber sehr schnell an die Regeln und gewöhnt sich daran. Man sollte nicht unterschätzen, wie rasch sich Menschen an neue Situationen anpassen. Wenn wir uns außerhalb der Arbeit nur noch zu zweit draußen aufhalten dürfen, werden wir nach zwei Wochen nicht mehr stündlich darüber nachdenken, dass wir eigentlich lieber zu viert unterwegs wären.“
Kontaktpunkte
Auch wenn Sport eine gute „Medizin“ in der Krise ist, sollte der allgemeine Geisteszustand jene Aufmerksamkeit bekommen, die er verdient. Wenn sich bestimmte Krisen nicht mehr alleine bewältigen lassen, helfen gut ausgebaute Institutionen mit Rat und Tat. Ein Überblick der Kontaktpunkte im Alpenraum:
Der einzige Pluspunkt von Krisen: sie gehen vorüber. Auch wenn man es im ersten Moment nicht realisiert, so hat die Zeit die Tendenz alle Wunden zu heilen. Wir haben mit Matthias Lanzinger bei jemandem nachgefragt, der es Wissen muss.