Durchbeißen lohnt sich: Es war das erste große Radrennen für Sportalpen Athletin Lea und doch hat sie sich als erste Dame im Ziel des Bewerbes durchsetzen können. Hier berichtet sie von ihren Erfahrungen beim spannenden Dreiländergiro, der sie durch Österreich, Italien und die Schweiz führte.
Der Tag X
Mit 3.500 Höhenmetern und 168 Kilometern schien mir die Strecke des Dreiländergiros als perfekte Distanz, um mich meinem ersten großen Radmarathon zu stellen.
Durch das umfangreiche Training fühlte ich mich gut vorbereitet und freute mich wahnsinnig auf dieses Rennen. Nach wenigen Stunden Schlaf konnte ich es kaum erwarten, mich pünktlich um 06:30 Uhr möglichst weit vorne im 3.000 Teilnehmer-Starterfeld zu positionieren. Bereits vor dem Start pendelte sich mein Puls auf den Durchschnittswert der nächsten Stunden ein.
Wird mein Körper diese Belastung durchstehen? Hält das Material? Wird es anfangen zu regnen? Tausende Gedanken schwirrten mir durch den Kopf und dann „3, 2, 1, Schuss“. Auf einen Schlag war die Nervosität verschwunden, die Gedanken vergessen, es lief wie von allein.
Aller Anfang ist ... ziemlich leicht?
Vom Start weg verlief die Strecke leicht bergauf über den Reschenpass, über den man im Feld problemlos mit hoher Geschwindigkeit rollen konnte. Mit den ersten Sonnenstrahlen im Gesicht ging es bergab nach Prad am Stilfserjoch.
Konzentriert durch das Dorf manövrierend war es schwierig, sich psychisch auf den folgenden 1.850-Höhenmeter-Anstieg vorzubereiten. Doch nach den ersten paar hundert Metern im Anstieg wurde es warm, meine Beine fühlten sich gut an.
Ich wusste, das Streckenprofil würde es erlauben, in den „ersten Berg“ viel zu investieren. Und so versuchte ich die vielen Höhenmeter gleichmäßig und schnell zu überwinden. Zu diesem Zeitpunkt war mir natürlich noch nicht klar, dass dies der entspannte Teil des Rennens werden sollte.
Schluss mit lustig
Die Ankunft an der Passhöhe konnte ich leider nicht lange genießen, denn genau dort überholte mich eine Dame und blieb auch die ganze Abfahrt lang vor mir. Unten angekommen füllten wir beide noch unsere leeren Speicher mit etwas Iso-Gemisch an der Labestation auf.
Weiter ging’s zum nächsten Anstieg, dem Ofenpass, wo es mir bis zur Passhöhe gelang, das Loch zur Verfolgerin größer werden zu lassen. Von nun an ging es immer wieder über Hügel, aber tendenziell bergab durchs Engadin. Durch die tapferen Männer in unserer wachsenden Gruppe, musste ich eigentlich „nur“ versuchen nicht aus dem Windschatten zu fallen. Mittlerweile wusste ich, dass das Stilfserjoch erst das Aufwärmen war.
Mit Zähne zusammenbeißen rettete ich meine übersäuerten Oberschenkel über die knappen 50 Kilometer bis zum letzten 300-Höhenmeter-Anstieg. Ich wusste, jetzt war ich so gut wie auf der Zielgeraden. Bloß nicht nachlassen, das würde der letzte Anstieg sein! Ich versuchte mich noch einmal zu motivieren und quälte mich über die letzten Kilometer hinauf.
Euphorie im Überfluss
Den letzten Berg bezwungen, warteten oben schon die ersten Zuschauer mit motivierendem Klatschen und Rufen. Jetzt nur noch runter ins Dorf, dachte ich mir. Mein Bauch kribbelte, die Beine waren federleicht, mein Kopf frei. All die Strapazen waren vergessen, die Glücksgefühle kamen hoch. Ich bog in die letzte Kurve ein, hörte Menschen jubeln, überquerte die Ziellinie und vernahm die Worte „Die erste Dame!“. Dieses Gefühl, genau in diesen paar Sekunden, lässt sich vermutlich nicht beschreiben. Ich konnte nur weinen. Ich weiß wieder warum. Warum wir alle die gleiche Passion haben.