Erfolg und Misserfolg sind es Wert darüber nachzudenken. Immer wieder und wieder, um etwas zu lernen und sich weiterzuentwickeln. Dynafit Trailhero Wonny Keil fasst ihre Gedanken zur Motivation im Trailrunning zusammen.
Das Unausgesprochene
So gut wie jeder Sportler berichtet um einiges lieber von seinen Erfolgen, von den Platzierungen weit vorne, von neuen Bestzeiten, von atemberaubenden Gipfeln, die wir bezwungen haben und Zielsprints, an deren Ende wir uns zum Atmen auf den Boden legen mussten, um neue Kraft zu tanken.
Weit weniger Beachtung findet die Thematisierung von Misserfolg und Demotivation. Ich bin mir sicher, ich bin nicht die einzige Trailrunnerin, die damit zu kämpfen hat und vielleicht findet sich der ein oder die andere in meinen Zeilen wieder, kann sich verstanden fühlen und Gewissheit finden, dass jedes Tief mit einem Hoch belohnt wird.
Mein Training in der Wintersaison verlief spitzenmäßig. Jeden Morgen schnürte ich mir entweder die Laufschuhe oder schnallte mir die Skitourenski an die Füße. Ich trainierte eisern, hart, mit so viel Leidenschaft und Ausdauer wie nie zuvor. Mein Körper wurde stärker. Zäh. Die ersten Rennen auf Skiern verliefen gut, ich war zufrieden und motiviert. Bei jedem Wetter stapfte ich durch Schnee, über Eis, immer darauf bedacht ein kleines bisschen besser zu werden.
Vom Tief ins Hoch und zurück
Und dann kam das Tief. In einer Abfahrt mit den Tourenski stürzte ich. Das Resultat: ein kaputter Helm, eine tiefe Platzwunde am Kopf, ein gebrochenes Handgelenk. Es war März. Die Trailrunningsaison stand vor der Tür. Ich gab die Hoffnung dennoch nicht auf, an den ersten Rennen teilnehmen zu können. Samt Gips versuchte ich weiter zu trainieren, ein bisschen vorsichtiger, ein bisschen weniger, aber stetig. Schmerzen konnte ich immer schon ausblenden. Im April stand der erste Wettkampf am Programm. Zum Glück ohne Gips. Ich kam als zweite Dame ins Ziel. Hochmotiviert und voller Freude.
Zwei Wochen später stand der IATF mit seinen 65 Kilometern am Programm. Ich konnte starten und meine Zeit vom Vorjahr um eineinhalb Stunden verbessern. Als sechste Dame kam ich in einem stark besetzen Feld ins Ziel. Einer erfolgreichen Laufsaison stand nichts im Weg. Meine Beine waren stark, auch der Kopf war es! Ich genoss die vielen Stunden am Berg, die Frühlingssonne, die Schneefelder, die den Downhill so wunderbar machten. Und dann brachte mich eins dieser Schneefelder erneut zum Stürzen. Ich brach mir den Ellbogen. Der nächste Gips. Ich war wütend, auf mich, auf meinen Übermut. Auch dieses Mal versuchte ich mit Gips zu laufen, aber an Wettkämpfe war nicht zu denken. Mein erster 100 Kilometer-Trail fiel ins Wasser. Meine Motivation auch.
Der Kampf mit mir selbst
Ich begann die Berge zu hassen und verlor jegliche Freude daran hinaus zu gehen und zu laufen. Wenn ich mir die Laufklamotten anzog und die Schuhe schnürte, wollte ich am liebsten wieder umdrehen, mich in meinem Bett verkriechen. Draußen, in der Natur, in den Bergen, auf den Trails fühlte ich mich plötzlich fremd. Nicht mehr wie Zuhause. Eher als hätten mir die Berge alles genommen, was ich einst so geliebt hatte. Statt die Downhills zu genießen stolperte ich ständig, die Aufstiege waren hart, viel härter als sonst. Ich weiß nicht wie viele Tränen ich vergossen habe. Tränen der Wut, des Hasses, der Trauer. Ich beschloss nicht mehr zu laufen. Wollte aufgeben, mir eine neue Leidenschaft suchen und die Berge hinter mir lassen. Ich hatte meine Saisonsziele nicht erreicht. Meine Sportwelt geriet ins Wanken. Niemand konnte mir die Freude am Laufen, die Liebe zu den Bergen zurückgeben. Ich war mir sicher, ich würde nie wieder auf den Trails entlang schweben …
Ein Funken Hoffnung
Und dann gab ich meiner Leidenschaft noch eine letzte Chance. Nach Monaten voller Verzweiflung, Demotivation und Pessimismus packte ich meinen Trailrucksack, zog mir meine Laufklamotten an, plante eine lange Route aus der ein Ausstieg, ein Aufgeben nur schwer möglich war und lief los. Die erste Stunde war hart, ich dachte alle drei Minuten darüber nach umzukehren. Schließlich hatte ich niemanden etwas zu beweisen. Oder doch? Ja, mir selbst! Also lief ich weiter.
Vier, fünf, sechs Stunden. Kurz vorm letzten Gipfel blieb mir die Luft weg vor Freude, ich sah nach oben, meine Beine waren schwer, aber ich wusste, ich kann es schaffen. Ich wusste, meine Liebe, mein Wille, mein Ehrgeiz waren groß genug. Nach fast sieben Stunden, 3.000 Höhenmetern Aufstieg und 45 Kilometern kam ich an. Müde. Glücklich. Stolz, endlich mal wieder etwas geschafft zu haben. Der Glaube an mich war zurück, ich verfluchte die Berge nicht mehr, ich konnte sie im Laufe des Tages wieder lieben lernen. Endlich.
Leidenschaft fürs Trailrunning
Ich gehöre weder zu den besten, noch zu den talentiertesten Läufer*innen da draußen in der Trailrunningszene, aber ich wage zu behaupten, dass ich mein fehlendes Talent stets mit harter Arbeit auszugleichen versuche. Ich zähle nicht zur sportlichen Spitze, aber meine Leidenschaft ist grenzenlos. Während meiner Auszeit habe ich mir viele Gedanken zum Thema Sport gemacht und so groß meine Zweifel auch waren, blieb mir stets ein kleiner Funke Hoffnung, der mich nicht aufgeben ließ. Meine Verletzungen bremsten mich, ließen mich demütiger und nachdenklicher werden und hielten mir auch die Gefahren der Berge vor Augen. Nichtsdestotrotz weiß ich jetzt, dass alles was ich will das Laufen und die Berge sind! Und ich weiß, ich werde noch viele Male hadern, scheitern, fluchen und weinen, aber ich werde noch mindestens genauso oft vom Training zurückkehren und strahlen, über Ziellinien stolpern und stolz sein. Die Berge sind dazu fähig einem alles zu nehmen und gleichzeitig geben sie mir so viel Kraft und Energie, dass ich morgens aus dem Bett springe und mich in neue Abenteuer stürze!