Sportalpen.com

Kletterabenteuer: blindlings nach Grönland

Fünf Tiroler machten sich im Juli auf, um Grönlands Bergwelt zu erobern. Die Seilschaft um Salewa Athlet Daniel Kopp hatte die Erstbegehung der Granitspitze Mittivakat zum Ziel. Mit dabei war auch der blind climber Andy Holzer.

Reise ins Ungewisse

Salewa Athlet Daniel Kopp in Grönland

Grönland. Ein seltsamer Ort für ein Kletterprojekt. Vor allem für Tiroler, die mit Gletschern gesegnet sind. Dennoch war die Vorfreude auf die größte Insel der Erde enorm. Das Team um den blinden Kletterer Andy Holzer nahm sich vor, den 852 Meter hohen Granitturm zu besteigen. Die Bedingungen dafür schienen von Beginn an optimal. Wolkenloser Himmel, angenehme Temperaturen und malerische Meeresbuchten.

Einzig die Moskitos wagten es, die perfekte Idylle zu stören. Am 15. Juli machte sich das Team auf, den eisigen Fels zu erklimmen. Ohne Vorwissen über Zustieg, Schwierigkeitsgrade oder die Steilheit der Wandfluchten waren die fünf Abenteurer ebenso blind wie Andy Holzer. Hinzu kamen die besonderen Lichtverhältnisse in Grönland, die der Sehfähigkeit so manchen Streich spielten.

Ge-hör mal her!

Eine Zweierseilschaft leistete die Pionierarbeit und untersuchte die Wand auf machbare Wege. Im Nachstieg ließ sich Andy von seinem „Navigator“ Thomas Tipps zuflüstern, um die gefährlichen Stellen zu meistern. Vieles davon wusste Andy aber schon. Durch sein Gehör ist es ihm möglich, Trittgeräusche zu analysieren und Aufschlüsse über die Konsistenz des Untergrundes zu gewinnen. Die ersten Schwierigkeiten kamen unerwartet. Ein Bach stellte sich der Gruppe in den Weg. Mit nur wenigen herausragenden Steinen war es für Andy schwer, die Sprünge von Stein zu Stein zu meistern, ohne nass zu werden. Aber auch dieses Hindernis wurde mit Thomas Hilfe schnell überwunden.

Die Sache hat einen Bohrhaken

Am Ziel : Blind Climber Andy Holzer.

Von nun an wurde das Gelände immer steiler. An der Basis der Südostwand wählte das Team eine Route, die auch für Andy kletterbar bleiben sollte. Erneut überließ Andy zwei seiner Tiroler Kollegen den Vorstieg und folgte ihnen ohne Mühe. Bohrhaken um Bohrhaken arbeiteten sich die Alpinisten nach oben. Bis ihnen die Bohrhaken ausgingen. Die Fehleinschätzung deren benötigter Anzahl zwang die Vorsteiger folglich dazu, heikle Stellen mit Normalhaken zu überwinden. Auch das wurde geschafft.

Dennoch wurde der erste Klettertag nach dieser Aktion beendet und das Abseilen eingeleitet. Ein Rasttag füllte die leeren Batterien auf, bevor der endgültige Anstieg begann.

Grönland Morgana

Die Route der Gruppe.

Nach einem leichteren Zustiegsweg wurden dieselben sechs Seillängen in Angriff genommen, die zwei Tage zuvor ohne Bohrhaken endeten. Zwei weitere Längen brachten die Gruppe schließlich zum Grat. Den Gipfel in Sichtweite, brachen die Tiroler Kletterfreunde eine Diskussion über den Sinn, den scheinbar weit entfernten Gipfel über den brüchigen Grat zu besteigen, vom Zaun. Nach einer kurzen Scout-Aktion von Daniel wurde aber schnell klar, dass die Entfernung schlicht täuschte. Die arktische Felsenwelt hatte auch den sehenden Athleten einen Streich gespielt, denn es sollte nur wenige Minuten dauern, bis der Gipfel erreicht wurde. Der Ausblick war unvergleichlich: das mächtige Inlandeis im Westen und unzählige Bergspitzen im Nordosten.

Kalaallit Nunaat

Der Abstieg ging problemlos über die Bühne. Gegen Mitternacht erreichten die Tiroler das Basis Camp und überzeugten sich von Thomas Kocheigenschaften. Die letzte Hürde stellte die Namensfindung für die Route dar. Viele Vorschläge wurden verworfen, ehe die Wahl auf „Kalaallit Nunaat“ fiel. Der Name bedeutet übersetzt so viel wie das Land der Menschen, was auch gleichzeitig der Name Grönlands in der Landessprache ist.