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Pioniere im Fokus: „Holzmann“ Wolfgang Kugi

Holzfelgen für Fahrräder wurden in den 1960er Jahren vom Markt verdrängt. Zu Recht. Doch ein halbes Jahrhundert später sind die Karten neu gemischt. Wolfgang Kugi bringt zusammen mit seinem Kollegen Sebastian Hochsteiner seit 2010 das Naturprodukt zurück ins Rennen.

Nachhaltige Studentenidee

Ein paar „Bier im Garten“ brachten Wolfgang Kugi und Sebastian Hochsteiner zu einer Idee. Die Idee wurde zur Abschlussarbeit ihres Studiums, und die wurde zur Grundlage ihres Business: Holzfelgen.
Mit den Laufrädern aus der ersten Hälfte des vorigen Jahrhunderts haben diese High-Tech Produkte allerdings so gut wie nichts mehr zu tun. Die Kärntner produzieren Felgen für alle möglichen Bereiche:

Rennrad, Mountainbike, Downhill – sogar Rollstuhlfahrer stehen auf dem Programm. Und das alles mit einem erneuerbaren Rohstoff, der quasi vor der Tür wächst – und erstaunlich beständig ist.

Sportalpen.com: Hallo Wolfgang. Lass uns am Anfang beginnen: Wo hat die Idee mit den Holzfelgen ihren Ursprung?

Wolfgang Kugi: Wir haben im Zuge unseres Studiums [Holztechnologie, Anm.] ein Thema für die Bakkalaureatsarbeit gebraucht. Dann sind wir bei ein paar Bier im Garten zusammengesessen und haben überlegt. Irgendwie sind wir so auf die Holzfelgen gekommen. Die erste Arbeit war eine reine Machbarkeitsstudie und die zweite dann die praktische Umsetzung.

Wie liefen die ersten praktischen Versuche ab? 

Im Nachhinein betrachtet hatten wir damals eigentlich ziemlich viel Glück, weil bei der Konstruktion viele Parameter mitspielen, aber schon die zweite oder dritte Felge ganz gut funktioniert hat. Erst später haben wir gesehen, dass man da auch einige Probleme haben kann.

Worin genau liegt der Unterschied zwischen den „antiken“ Holzfelgen aus den 60er Jahren und euren?

Zum einen verwenden wir eine andere Holzart. Zum anderen sind es natürlich die Lagen. Durch die Vielzahl der Lagen ergibt sich ein viel homogenerer Aufbau. Außerdem bauen wir teilweise Carbonfasern – etwa für die Seitensteifigkeit bei der Rennradfelge – ein. Was damals natürlich auch nicht zur Verfügung stand war die Klebstofftechnologie und die Fertigungstechnik. Man hat zum Beispiel nicht mit so einer Genauigkeit fräsen können.

Unsere Klebstoffe sind für den Flugzeugbau zugelassen

Habt ihr für die Herstellung Spezialkleber oder –maschinen?

Um es zu verallgemeinern: Alle Klebstoffe die wir verwenden sind für den Flugzeugbau zugelassen. Das ist natürlich kein Weißleim von einem Tischler oder so etwas. Das würde natürlich nicht funktionieren. Das sind sehr, sehr hochwertige Klebstoffe.
Zu den Maschinen: abgesehen von der CNC Maschine haben wir alles selber gebaut. Dadurch, dass wir selbst Elektriker sind, ging das sehr gut.

Druckluft, Temperatur, Strom, Antriebe: Alles das muss dabei berücksichtigt werden. Das ist schon relativ komplex.

Wie lange war die Entwicklungsdauer von den ersten Schritten bis hin zum serienreifen Produkt?

Also die theoretische Bakkalaureatsarbeit hat etwa ein halbes Jahr in Anspruch genommen. Da wurden Holzarten und Klebstoffe selektiert. Es war ja auch so, dass wir ein paar Kleber auf der Rechnung hatten, die sich später als unbrauchbar herausgestellt haben.
Bei der Serienfertigung hat es sicher über ein Jahr gedauert, bis wir bereit waren. In unserem Fall kam ja auch noch der ganze Aufbau der Firma dazu.

Wir können heute am Tag etwa 10 Holzfelgen produzieren. Wenn man mehr schaffen will braucht man natürlich wieder mehr Geld und zusätzliche Maschinen.

Wir verwenden verschiedene Holzarten, die alle verschiedene Eigenschaften haben

Kommen wir zum Produkt selbst: Aus wie vielen Schichten besteht so eine Holzfelge?

Das ist ganz unterschiedlich und kommt auf die Anwendung an. Bei einer Rennradfelge, die ein hohes Profil haben soll, sind es natürlich wesentlich mehr Lagen. Es ist aber nicht immer nur die Anzahl der Lagen entscheidend. Wir verwenden ja verschiedene Holzarten, die alle verschiedene Eigenschaften haben. Bei so einer hochwandigen Felge verwenden wir eher leichtes Holz, weil das eher einen Fülleffekt für die Aerodynamik hat, als einen Festigkeitseffekt.

Aus optischen Gründen vermischt man zum Beispiel auch Nuss mit Birke.

Das heißt also, eure Felgen werden auch aus optischen Gründen gekauft?

Auf jeden Fall! Bei „Stadtcruisern“ etwa schaut das voll lässig aus. Einige Rennradfahrer lackieren die Holzfelgen lieber schwarz, weil das sonst nicht so gut zum Rad passen würde. Das ist wie bei den Skifahrern, die halt auch gerne die Skischuhe passend zu den Skiern kaufen. Andere finden diesen nostalgischen Effekt ganz cool. Unsere Holzfelgen sind aber eher ein High-End-Produkt mit einlaminierten Holzfasern und guten Fahreigenschaften. Das ist eigentlich der größte Vorteil unserer Felgen: der Fahrkomfort.

Holzfelgen nehmen Schwingungen und Stöße besser auf


Inwiefern unterscheiden sich die Fahreigenschaften von Metall- und Holzlaufrädern?

Holz hat ein geringeres Gewicht und ist trotzdem relativ fest. Wenn man sich einen Kubikmeter Fichtenholz vorstellt kommt man auf 600 Kilogramm. Wenn man Aluminium hernimmt sind es 2,5 Tonnen. Von der Festigkeit her ist Holz außerdem immens gut. Der zweite Vorteil sind die erwähnten Fahreigenschaften. Die Holzfelgen nehmen Schwingungen und Stöße besser auf. Vor allem beim Rennrad ist es ja so, dass es faktisch kein Federungssystem gibt. Das ist etwa im Frühjahr ziemlich unangenehm, wenn der Untergrund besonders hart ist. Einige Sportler lassen bei Carbonfelgen zum Beispiel Luft aus, um einen besseren Fahrkomfort zu haben. Bei den Holzfelgen muss man das nicht machen. Speziell für lange Trainingsfahrten ist das viel angenehmer. Auch im Cross Country Bereich haben wir den Vorteil, dass die Felge nicht so steif ist wie etwa eine aus Carbon.

Wenn man mit so einer über Wurzeln oder Steine drüberfährt, kommt einem der Schlag wie ein Impuls entgegen. Die Holzfelge sucht sich – übertrieben formuliert – immer den Weg des geringsten Widerstandes.

Was ist, wenn ein Riss in der Holzfelge entsteht?

Dadurch, dass es ziemlich viele Lagen sind, gibt es sowas wie einen Totalausfall nicht wirklich. Sollte es tatsächlich zu einem Bruch der Felge kommen zeichnet sich das langsam ab. Aber weil die Holzfelgen so einen dicken Querschnitt haben – im Gegensatz zu den Holkammern der Eisenfelgen – knicken sie auch nicht ein.

Was müsste passieren, damit eine Holzfelge wirklich bricht?

Das ist ganz schwer zu sagen. Es ist natürlich nicht so, dass noch nie eine Holzfläche gebrochen wäre. Uns ist es bis jetzt viermal passiert, wobei wir zweimal bewusst versucht haben den maximalen Belastungspunkt zu finden. Man kann das auf dem Computer nur ganz schwer vorausberechnen. Eine Cross Country Felge ist etwa bei einem extremen Downhill-Sturz gebrochen, wo auch die komplette Gabel zerstört wurde.

Das ist auch nicht sehr aussagekräftig, weil da gleich alles zu Bruch ging. Das Erstaunliche war allerdings, dass obwohl ein Riss in der Felge war, man mit dem Schlauchreifen durchaus noch ein bisschen weiterfahren hätte können. Das ist eben dieser Vorteil der Schlauchreifen.

Worin liegen die Schwierigkeiten bei der Produktion?

Wolfgang Kugi mit Rider Peter Leber.

Jede Felge – egal ob Holz oder Eisen – hat ihre größten Probleme in der Seitenlast. Im schlimmsten Fall entsteht dabei der berühmte „Achter“. Holz ist aber generell sehr zäh, macht viele Bewegungen mit und geht dann wieder in die Ursprungsform zurück. Metallische Felgen bleiben in der veränderten Form. Bei Carbon ist es bei einem Riss schnell vorbei. Die Langlebigkeit ist also auch sehr gut. Steinschläge an der Oberfläche sind etwa nur optischer Natur. An der Festigkeit ändert sich da nichts.

Auch wenn der Lack mit der Zeit abgeschliffen wird, stellt das Wasser kein Problem dar

Welche Rolle spielen Feuchtigkeit und Schädlinge bei Holzfelgen?

Gar keine. Deshalb nicht, weil wir einfach so viele verschiedene Lagen haben. Dadurch hat man über den Querschnitt betrachtet einen homogenen Aufbau. Auch wenn der Lack mit der Zeit abgeschliffen wird, stellt das Wasser kein Problem dar. Das mit der Feuchtigkeit ist halt einfach so in den Köpfen der Leute drinnen. Wenn jetzt jemand mit dem Skateboard im Regen fährt wird das ja auch nicht kaputt.

Es fallen auch keine Ruderbote oder Stege plötzlich zusammen.
Für Schädlinge sind die Felgen alleine schon wegen des Geschmacks völlig uninteressant.

Welche Bremssysteme kann man mit Holzfelgen verwenden?

Also Scheibenbremsen sind sowieso kein Problem. Die Backenbremsen funktionieren ebenfalls einwandfrei, allerdings sollte man da jene verwenden, die auch für Carbonfelgen hergenommen werden. Sonst könnte man die Temperatur, die beim Bremsen entsteht, nicht wegtransportieren.

Wir schmeißen das Geld mit beiden Händen Richtung Asien und kaufen so viel Schrott, nur weil es billig ist

Ein Blick in die Zukunft zum Abschluss: Wo siehst du die Firma und euren Markt in fünf Jahren?

Ich sag’s mal so: Wenn wir in Österreich ein Promille vom Marktanteil erreichen, dann würde das super passen (lacht). Die Tendenz ist zum Glück steigend. Interessant ist auch, dass die Leute umdenken was die Umwelt betrifft. Sie überlegen was sie kaufen. Statt zu der um ein paar Cent günstigeren Discountermilch zu greifen kaufen sie lieber vom Bauern nebenan.

Wir schmeißen das Geld mit beiden Händen Richtung Asien und kaufen so viel Schrott, nur weil es billig ist. Dabei ist oft die Qualität nicht mehr da. Wir sehen aber auch, dass es relativ schwierig ist ein neues Produkt in einen Markt einzuführen. Speziell kämpfen wir auch noch gegen das Vorurteil: Hält Holz überhaupt? Das Einzige was dagegen hilft sind die sportlichen Erfolge. Da haben wir voriges Jahr mit zwei U17 Europameistertiteln einen guten Start hingelegt.