Seitdem Kästle 2007 einen Relaunch gewagt hat leitet Siegfried Rumpfhuber die Geschicke der österreichischen Skifirma. Mit alten Werten und neuen Ideen versucht sich das Traditionsunternehmen seinen Platz in der Skiindustrie zurückzuholen.
Relaunch der Traditionsmarke
Die Firma Kästle kann auf eine beeindruckende Geschichte zurückblicken: Skientwicklung mit Reinhold Messner, Renntriumphe mit Pirmin Zurbriggen und eine emotionale Bindung an das Produkt, die bis heute anhält.
Eigentlich nur positive Meilensteine. Ändern sollte sich diese Erfolgsserie im Jahr 1999, als Besitzer Benetton aus wirtschaftlichen Überlegungen die Tore der Fabriken schloss.
Acht Jahre sollte es dauern, bis unter einem neuen Investor begonnen wurde an der Wiederauferstehung zu arbeiten. Seit 2007 ist die Traditionsmarke wieder am Markt. Mit Rudolf Knünz als Finanzier und Siegfried Rumpfhuber als Geschäftsführer will das Unternehmen zurück zu alter Stärke.
Sportalpen: Herr Rumpfhuber, wie würden sie als Geschäftsführer von Kästle die Firma beschreiben?
Siegfried Rumpfhuber: Bei Kästle gibt es zwei Alleinstellungsmerkmale die zusammenspielen. Das ist zum einen die konstruktive Seite und zum anderen die des Designs. Wir haben in unserer Unternehmensvision ja vor allem die funktionelle Produktgestaltung als Vorgabe. Das schaffen wir einerseits auf der technischen Ebene durch den Einsatz sehr hochwertigen Materials. Da stellen wir vor allem Rennskier im Bereich All-Mountain und Freeride her – also in den anspruchsvollsten Konstruktionsfeldern die es gibt.
Das spiegelt sich auch in unserem patentierten „Hollow-Tech“-System wider, das wir in jedem Ski verarbeitet haben und das sich von der Lochski-Idee ableitet. Dadurch werden Schwingungen reduziert und die Ski „spritziger“ und leichter. Durch die funktionelle Gestaltung findet sich auch kein „Schnick-Schnack“ auf den Skiern.
Wie verhält es sich mit den Größen der Hollow-Tech Aussparungen? Machen die wirklich bei jeder Skikategorie Sinn?
Zu Beginn hatten wir noch eine Universalgröße. Vor zwei Jahren, in der zweiten Generation, haben wir dann für die Freerideski größere Löcher gemacht. Dafür benötigen wir übrigens relativ teure Werkzeuge, da die ganzen Lagen des Sandwichaufbaus gelocht werden müssen. Jede Lage wird dabei separat und vor der Zusammenfügung gestanzt. Und jeder Ski hat zwischen acht und 14 Schichten im Aufbau. 60 Prozent davon werden beim Hollow-Tech durchstanzt, während Belag, Oberfläche und dünne Glasfaserschichten durchlaufen.
Wir versuchen für jede Kategorie einen Vorteil herauszuarbeiten. Bei Tourenski geht es zum Beispiel weniger um das Thema Laufruhe, sondern um eine Gewichtsreduktion beim Aufstieg. Es sind je nach Lochgröße und technischer Konstruktion zwischen 45 und 60 Gramm pro Loch, die man sich spart.
Ist das Material, das in den Löchern eingebaut wird, überall dasselbe?
Nein, das ist unterschiedlich. Da gibt es verschiedenste Aufbauten. Speziell im Freestyle-Bereich bekommen wir von den Athleten immer wieder das Feedback, dass die Skier sehr leicht drehen sollen, während im Freeride und Allmountain Bereich eher die Laufruhe im Vordergrund steht, weil die auch höhere Geschwindigkeiten fahren.
Kästle hat 2007 den Relaunch durchgeführt. Ist Tradition für Kästle dennoch eine wichtige Sache?
Ja, sogar ganz wichtig! Es ist so, dass wir uns in dem Jahr, in dem wir den Relaunch vorbereitet haben, intensiv mit der Geschichte auseinandergesetzt haben. Wir haben umfangreiche Kataloge aus dem Archiv bekommen.
Die haben wir uns gut angeschaut und sind draufgekommen, dass Kästle in der Vergangenheit eigentlich immer schon eine klare Positionierung am Markt hatte.
Es war schon immer eine Marke, die sich über den Sport definiert hat. Im Speziellen über den Rennsport mit Läufern wie Pirmin Zurbriggen. Andererseits haben wir uns aber auch über den Alpinismus definiert.
Den neongelben Tour Randonne hat es etwa schon vor dreißig Jahren gegeben, der ist 1979 mit dem Reinhold Messner entwickelt worden.
Das zweite sich durchziehende Thema war, dass die Skier aber auch für den Konsumenten eine sportliche Auslegung hatten. Drittens fiel uns auf, dass das Design immer schon stark in den Fokus gestellt wurde. Diese drei Elemente haben wir versucht wieder aufzugreifen.
Sie haben das Design nun schon des öfteren angesprochen. Ihr unterscheidet euch da auch stark von anderen Firmen. Können Sie die Idee dahinter noch mal genauer erklären?
Da spielt aus Markensicht natürlich eine hohe Wiedererkennung eine Rolle. Zumal wir ja auch weniger Stückzahlen als die Konkurrenz verkaufen.
Wir haben zwar ein gutes Wachstum, verkaufen aber heuer um die 15.000 Skier in einem Markt von drei Millionen. Das heißt wir haben nicht einmal ein halbes Prozent Marktanteil. Von 200 Paar Skiern auf der Piste ist eines von Kästle.
Da war es natürlich ein Ziel, dass wir eine Produktidentität schaffen, die eine Hohe Wiedererkennung hat. Das schafft man natürlich am besten, indem man ein gleichmäßiges Design aufzieht.
Der neue Investor ist selbst ein großer Skifan. Macht das die Arbeit für euch leichter?
Er ist wirklich sehr aktiv und up to date. Man kann sich das so vorstellen, dass wir uns im zwei bis vier Wochenrhythmus treffen. Da besprechen wir einerseits den aktuellen Geschäftsverlauf und andererseits zukünftige Projekte. Er bringt sich vor allem bei den finanziellen Fragen ein. Bei Strategie, Produkt und marktseitigem Vertrieb hab ich eigentlich zu 99 Prozent freie Hand.
Was ist in der Zeit zwischen 1999 und 2007, als Kästle quasi nicht existierte, passiert?
Das war mit einer kleinen Ausnahme eine komplette Ruhephase. Die Marke befand sich im Besitz von Benetton. Schon 1998 hatten sie sich dazu entschieden, Kästle stillzulegen.
Das hat auch mit dem Aufstieg des Mitbewerbers Salomon in den 90ern zu tun. Benetton hatte damals auch die Marke Nordica als Skischuhhersteller in Besitz. Die Wirtschaftsberater der Firma empfahlen, eine Einmarkenstrategie zu fahren, was das Ende für Kästle bedeutete.
Es gab dann die Sache mit dem italienischen Fahrradhersteller der bis 2001 noch Kästle Fahrräder produzierte. 2006 hat dann ein italienisches Unternehmen auch noch die Lizenz für die Skier erworben. Die sind aber nach einem halben Jahr in Konkurs gegangen, was die Rechte wieder in den Besitz von Benetton brachte.
Die Produktion findet in Österreich statt. Man könnte ja auch in China dieselben Produktionsvoraussetzungen für weniger Geld schaffen. Warum ist „Made in Austria“ so wichtig?
Ja, theoretisch kann man die Produktionsbedingungen überall schaffen. Aber in der Praxis behaupte ich jetzt mal, dass das nicht geht. Es gibt da ein paar Faktoren, die man da nicht vergessen darf.
Einer ist zum Beispiel, dass die Zulieferindustrie mit Belägen, Kanten und Holzkernen auch in Europa sitzt. Außerdem sehen wir durch „Made in Austria“ einen Geschwindigkeitsvorteil.
Weil etwa die Prototypenentwicklung in Abstimmung mit Fernost und die Tests in verschiedenen Bedingungen viel länger dauern würden als hier. Wir haben alle Produktionsstandorte im Umkreis von maximal vier Autostunden von Salzburg.
„Qualität statt Quantität“ ist auch auf eurer Website häufig zu lesen. Gibt es auch Abstriche, die man als Qualitätshersteller einrechnen muss?
Man produziert sicher teurer. Unsere Skier laufen etwa eineinhalb bis zweimal so oft über den Stein beim Schleifen. Dadurch wird der Belag planer und das wirkt sich wiederum positiv auf die Drehfreudigkeit aus. 97 Prozent der Leute wird das vielleicht egal sein. Aber unser Anspruch ist es, Skier für eben genau für die drei verbleibenden Prozent zu bauen, die darauf Wert legen. Aufgrund unserer geringen Größe müssen wir auch immer dreimal überlegen, was wir machen wollen. Wir haben uns zum Beispiel bei der Entwicklung unseres Twin-Tips eineinhalb Jahre Zeit gelassen.
Unser Freestyle-Athlet Colby ist ein ganzes Jahr lang mit irgendwelchen weiß lackierten Skiern – die nicht von Kästle stammten – gefahren und hat Erkenntnisse gesammelt. Erst dann haben wir mit der Entwicklung begonnen. Das macht normalerweise auch keine Skifirma.
Ihr seit auch auf den Social Media Kanälen stark involviert. Wie sieht da eure Strategie aus?
Bei Facebook laden wir vor allem Fotos von Events hoch. Und für Instagram haben wir eine Art „Guideline“ an unsere Mitarbeiter und Athleten ausgegeben. Jeder der Instagram hat wird über den Hashtag auf der Website integriert. Durch diese ganzen Kanäle soll auf der Website deutlich werden, was die Welt von Kästle eigentlich ist.