Markus Bendler ist zweifacher Eiskletter-Weltmeister und Gesamtweltcupsieger. Der Tiroler hat sich seinen Traum vom Kletterkönig aber hart erarbeitet. Im Sportalpen-Interview erzählt er von den Risiken dieses Sports und seiner persönlichen „Folterkammer“.
Die Geschichte des Eisprinzen
Mit 15 Jahren kletterte Markus Bendler als jüngster Sportler weltweit eine 8c Route. Seither übersprang er auf der Karriereleiter regelmäßig die Sprossen. Gesamtweltcupsieger und Weltmeistertitel waren die Folge. Dass Eisklettern aber ein Risikosport ist, bekam der 28-Jährige schon mehrmals zu spüren. 2006 entging er nur knapp einem fatalen Absturz. Sportalpen traf Markus Bendler im Alp Fiction Maloja Shop in Salzburg, um herauszufinden, wieso er diese Leidenschaft nicht an den Karabiner hängt und in Topform den Weltcup dominiert.
Hallo Markus. Wieso gehst du lieber an die kalte Luft und auf schwierige Eiswände, anstatt die Wände in der Halle rauf- und runterzuklettern?
Ich mag es prinzipiell einfach gerne, draußen zu klettern. Da bei uns im Winter die Möglichkeit zum Eisklettern besteht, mache ich das, wenn es kalt wird. So kann ich das ganze Jahr über draußen klettern. Außerdem bringt das Abwechslung in den Sport. Es ist so, dass ich mich komplett der Umgebung anpasse. Wenn es so wie im Oktober und November kälter wird, dann „schnackelt“ es im Hirn und ich freue mich aufs Eisklettern.
Gegen Ende des Winters freue ich mich genauso wieder aufs Felsklettern. Das ist so eine Art „Biorhythmus“.
Was machst du, bevor du den ersten Pickel ins Eis schlägst?
Ich mache mir Gedanken, wie die Unternehmung ausgehen wird. Ich befasse mich am Anfang mit der ganzen Umgebung und checke, wie sicher das Ganze ist. Dazu gehören Temperatur, Temperaturverlauf, Eisaufbau und Lawinengefahr. Nach diesen Aspekten sucht man sich auch den Wasserfall oder die Eiskletterroute aus. Wenn das alles abgeklärt ist und ich mit einem positiven Gefühl dastehe, dann schlage ich den Pickel ein.
Eine Eiswand formiert sich jedes Jahr neu und kann jederzeit zusammenbrechen.
Was ist der größte Unterschied zum normalen Klettern?
Die größten Unterschiede liegen in der Bewegung. Man fühlt im Sommer den Felsen oder den Griff direkt mit der Hand. Mit dem Eisgerät habe ich immer eine Armverlängerung ohne Gefühl. Da muss ich mich auf das verlassen, was ich trainiert habe. Für mich persönlich ist der größte Unterschied aber der mentale Aspekt. Im Felsen ist man ja immer sicher, weil das Gestein hält. Eine Eiswand oder ein Wasserfall formiert sich jedes Jahr neu und kann jederzeit zusammenbrechen.
Die Leute nennen dich den „Eisprinz“. Ist das ein Name, der dir gefällt?
(Lacht) Das ist mir eigentlich relativ egal. Den hat ein Freund von mir erfunden, der die Videos von mir gemacht hat. Das spiegelt für mich eher wider, dass man sich selber nicht immer so ernst nehmen und viel Spaß haben sollte.
Markus Bendler über die „Folterkammer“ und das Glück im Unglück
Im Internet kursieren Videos von deinen Trainingssessions in der „Folterkammer“. Wo ist diese Trainingshalle und wie oft gehst du dorthin?
Die ist etwa fünf Minuten zu Fuß von meinem Haus entfernt, in einem alten Ferienheim. Da haben wir den Keller um-, und eine Boulderwand eingebaut. Früher waren wir teilweise sechsmal in der Woche dort. Mittlerweile etwas weniger, aber im Winter immer noch circa dreimal.
Das Trainingsprogramm, das du in diesem Raum durchziehst, ist unglaublich. Alleine sich die Übungen vorzustellen, ist für viele Menschen schwierig. Ist dieses Mega-Training Standard im Eiskletter-Weltcup?
Standard ist das nicht. Es gibt schon einige, die dieses Pensum absolvieren. Speziell in Russland. Die Sportler, die auch im Eiskletterweltcup ganz vorne dabei sind – da möchte ich gar nicht wissen, wie die trainieren. Es ist bei uns vielleicht eher ungewöhnlich, aber da hat sowieso jeder seine eigenen Trainingsmethoden und das sind halt meine.
Ich mache nichts Unüberlegtes. Wenn ich etwas Gefährliches mache, muss ich mir auch ganz sicher sein, dass das funktioniert.
Im Vergleich zum Bergklettern verzeiht das Eis keine Fehler. Wenn das Eis bricht, bist du weg. Denkst du während des Aufstiegs nie daran?
Jedenfalls nicht ständig. Es kommt auch immer darauf an, wo man sich bewegt. Je höher die Schwierigkeit beim Eisklettern, desto gefährlicher wird es meistens. Aber man geht ja nicht jeden Tag an sein Limit. Da müssen auch die Verhältnisse passen. Ich mache nichts Unüberlegtes. Wenn ich etwas Gefährliches mache, muss ich mir auch ganz sicher sein, dass das funktioniert.
In Japan bist du nur knapp dem Tod entwischt, als direkt neben dir eine riesige Eiswand runtergekracht ist. Kannst du die Situation beschreiben?
Das ist ziemlich schnell gegangen. Ich hab mir einfach nur gedacht: Scheiße, jetzt haben wir ein großes Problem. Da muss man sich überlegen, was man als Nächstes tut. Wir haben natürlich geschaut, dass wir möglichst schnell den Platz verlassen, und gehofft, dass sie nicht noch einmal runterbricht.
Hast du nach diesem Schock etwas umgestellt?
Na ja, nicht unbedingt. Das habe ich zuvor schon geändert. Ich hatte einmal einen relativ schweren Unfall mit einem Kollegen, der dabei gestorben ist. Das in Japan war einfach ein dummer Fehler. Das hätten wir nie gemacht, wenn wir in der Nähe von zuhause gewesen wären, wo wir eine zweite Chance auf einen Aufstieg gehabt hätten. Wir wussten, dass wir sicher nicht mehr dorthin kommen und dass das die letzte Möglichkeit ist, eine Eisbegehung zu machen. Das war grundsätzlich eine falsche Entscheidung.
Der verunglückte Freund, Harald Berger, war ein Vollprofi wie du. Denkst du dir nicht manchmal, dass auch dich dasselbe Schicksal ereilen könnte?
Nein, eigentlich überhaupt nicht. Sonst hätte ich es schon lange hingeschmissen. Das Klettern ist mein Leben und meine Leidenschaft. Das kann man nicht so leicht erklären. Eine Leidenschaft aufgeben – das geht nicht so einfach. Man macht das gerne.
Bei dem Meeting in Unken hast du am Ende der Saison 2012 wieder zu alter Stärke gefunden. Deine Prognose für 2013?
Das Ziel ist eigentlich, wieder ganz vorne dabei zu sein. Im Moment gibt es viele Sachen, die dazwischengekommen sind. Ich arbeite gerade an meinem eigenen Bergsportgeschäft, was sehr viel Zeit in Anspruch nimmt. Im Vorjahr habe ich mich außerdem an der Hand verletzt. Das hat mich in eine viermonatige Kletterpause gezwungen. Ich habe viel Aufbau trainiert und bin wieder relativ fit. Nur der kleine Finger, der beim Eisklettern ganz wichtig ist, weil die ganze Last da drauf ist, macht noch nicht ganz mit. Ich befürchte, dass das vielleicht mit der Kälte nicht so gut funktioniert, aber das muss ich probieren. Ich werde mich jedenfalls, so gut es geht, vorbereiten und dann im Dezember entscheiden, ob ich in dieser Saison überhaupt klettern werde.
Schlussfrage: Du warst als Jugendlicher Bäcker. Backst du deine Brötchen hin und wieder noch selbst?
(Lacht) Einmal im Jahr vielleicht. Das mache ich nur noch ganz selten, weil ich nicht mehr so viel Zeit habe.