Pascal Purin fliegt. Jeden Tag. Warum ausgerechnet er als Geheimtipp gehandelt wird, liegt daran, dass er seine ersten Flugversuche im Alter von neun Jahren gestartet und so ziemlich alles in der Luft erlebt hat. Und dann sind da noch die bis zu 25 Trainingsstunden pro Woche, die ihn auf die langen Läufe vorbereiten. Achja, und sein ganzes Team besteht aus Vegetariern. Pascal Purin ist vieles, nur nicht langweilig. Deshalb wird er live von den Red Bull X-Alps auf www.sportalpen.com berichten. Ein Interview zum Kennenlernen.
Wie bist du überhaupt bei den Red Bull X-Alps gelandet?
Im Prinzip meldet man sich einfach an und wird dann genommen – oder eben nicht. Das Interesse kam bei mir vor vier Jahren auf, als ich den Paul Guschlbauer bei den X-Alps begleitete. Dabei konnte ich viel lernen. Dieses Mal habe ich ein E-Mail mit der Botschaft „You are selected“ bekommen.
Woher kennt ihr euch?
Wir testen beide Gleitschirme als Piloten. Über den Arbeitsalltag also.
Warum hat es 2013 mit einer Teilnahme nicht geklappt?
Das weiß ich nicht so genau. Ich hatte mich zwar beworben, war damals allerdings mit 24 Jahren aus der Sicht des Veranstalters vielleicht noch zu jung fürs Teilnehmerfeld. Mit Sicherheit sagen kann ich es aber nicht. Es steht ja einiges auf dem Spiel und man fliegt bei den X-Alps echt durch schwierige Gebiete. Erfahrung ist also essentiell.
Ich fliege seit ich 9 Jahre alt bin
Wie hast du dich auf die X-Alps vorbereitet?
Vor zwei Jahren haben wir uns als Team das Ziel gesetzt, bei dem Event mitzumachen. Seit diesem Zeitpunkt haben wir speziell darauf hintrainiert und auch viele Lauf-Projekte verwirklicht. Ich bin zum Beispiel einmal in 13 Stunden 7.210 Höhenmeter gegangen. Betreut werde ich zusätzlich vom Leistungsdiagnostik-Zentrum in Innsbruck, die mir jede Woche einen Trainingsplan zuschicken und mit Tests meinen Zustand überwachen. Außerdem habe ich einige „Mini-X-Alps“ Bewerbe absolviert. Was das Gleitschirmfliegen betrifft, bringe ich viel Erfahrung mit. Immerhin fliege ich seit ich neun Jahre alt bin.
Darf man das?
Ich glaube nicht (lacht). Das kommt auch drauf an, wen man fragt. Der erste Flugversuch hätte auch beinahe in einer Katastrophe geendet (Mehr dazu hier). Meinen Flugschein habe ich jedenfalls dann mit 14 nachgeholt.
Was waren das für Bewerbe, an denen du vor den X-Alps teilgenommen hast?
Das waren zwei Zwei-Tages-Bewerbe, das Bordairline und das Crossalps. Da ging es darum, in 33 Stunden mit dem Gleitschirm und zu Fuß so weit wie möglich weg- und wieder zurückzukommen. Da muss man sich also gut einteilen, wie man das angeht. Bei einem Rennen habe ich etwa 4.000 Höhenmeter und 100 Kilometer zurückgelegt, bin aber um eine halbe Stunde zu spät im Ziel angekommen. Daraus lernt man.
Wie genau hast du dein Training gestaltet?
Ich habe sechs Mal die Woche trainiert, mit einem Ruhetag. Damit komme ich auf 20 bis 25 Stunden. Das betrifft allerdings nur die Ausdauer. Fliegen tu ich ja sowieso dauernd in der Arbeit (lacht). Auch wenn das eher technisch, als Streckenflug ist.
Ist da so ein großer Unterschied?
Ja. Es ist was anderes, ob man Manöver fliegt oder zusieht, dass man zum nächsten Berg kommt. Für schwierige Flugbedingungen sowie dem Starten und Landen in grenzwertigen Untergründen bin ich jedenfalls gerüstet. Beim Streckenfliegen haben Paul Guschlbauer und andere mehr Erfahrung.
Hast du dir vorher einen Plan zusammengestellt?
Man muss einen bestimmten Prozentsatz der Wegstrecke fliegen. Also sieht man sich das Ganze an und überlegt, wie weit man mit dem Gleitschirm kommt. Natürlich habe ich mir da ungefähr ausgerechnet, wie weit ich gehen kann, aber wirklich planen – und das wird auch bei den Red Bull X-Alps so sein – kann man da nicht. Dazu spielen das Wetter und die Thermik einfach eine zu große Rolle. Man muss sich immer ansehen, wie die aktuelle Situation aussieht. Google Earth hilft allerdings schon sehr gut, sich vorzubereiten!
Der Night Pass ist vor allem bei Schlechtwetter oder am Schluss sinnvoll
Bei den X-Alps gibt es einiges mehr an taktischen Möglichkeiten. Weißt du zum Beispiel schon jetzt, wann du deinen Night Pass einsetzen wirst?
Nein. Auch das hängt von den Umständen ab. Der Night Pass ist zum Beispiel sinnvoll, wenn Schlechtwetter daherkommt und man durch eine Nachtwanderung schneller zu guten Bedingungen kommt und dadurch früher wieder losfliegen kann. Falls es am Schluss zu einem Kopf-an-Kopf Rennen kommt, ist der Night Pass auch ein wertvoller Vorteil.
Hast du dir angesehen, wie die Teilnehmer vor zwei Jahren den Pass benutzten?
Ja. Antoine Girard und Clement Latour haben ihn etwa beim direkten Duell eingesetzt. Christian Maurer hat das ebenfalls clever gemacht. Er hat ihn gleich am Anfang benutzt, um sich vor eine Front zu setzen.
Aber man muss es sich wirklich gut überlegen, die Nacht durchzugehen, weil man die Regeneration auch braucht. Viele haben ihn ja gar nicht benutzt.
Der Weg von Salzburg nach Monaco bleibt immer gleich
Es sind einige dabei, die schon öfter mitgemacht haben. Denkst du, dass du ein Außenseiter bist und sogar Nachteile hast deswegen?
Ich habe mich in der Vorbereitung nicht wirklich auf meine Mitstreiter fokussiert. Ich kenne zwar einige, aber der Weg von Salzburg nach Monaco bleibt bei den Red Bull X-Alps immer gleich. Ich glaube das würde mich sogar eher aufhalten, wenn ich zu viele Gedanken investieren würde.
Kann man sich von den anderen überhaupt irgendetwas abschauen?
Ja. Vor allem bei den Details im Equipment. Sportler, die schon ein paar Mal dabei waren, haben einige interessante Konstruktionen entwickelt. Die ganze Ausrüstung ist extrem minimalistisch, da muss man schon kreativ sein. Mein Gurtzeug wiegt etwa nur 900 Gramm anstatt der üblichen sechs Kilo. Viel Spielraum ist da nicht mehr. Der Paul Guschlbauer hat zum Beispiel eine kleine Brusttasche eingebaut, wo er Schokoriegel unterbringt.
Was denkst du wird dir am meisten zu schaffen machen: der Körper, der Kopf oder unbeeinflussbare Faktoren wie das Wetter?
Ein wichtiges Thema wird sicher der Kopf werden. Bei so einem langen Rennen geht es auch darum, den Geist zu unterhalten. Der Körper kann ja viel mehr, als der Kopf oft glauben will. Das kennt man vom inneren Schweinehund. Ich glaube, das Ganze steht und fällt mit dem Kopf.
Es geht nicht ums Problem, sondern um die Lösung
Kann man sich mental auf die X-Alps vorbereiten?
Ich denke schon. Durch meinen Job als Testpilot für Gleitschirme bin ich öfter in solchen Situationen und stoße auf Negativ-Erlebnisse, mit denen ich umgehen muss. Es geht allerdings nie um das Problem, sondern immer um die Lösung! Das ist auch eine Art von Training. Außerdem haben wir uns als Team alle zwei Wochen mit einem Sportpsychologen getroffen, der uns noch zusätzliche Techniken beigebracht hat.
Aus welchen Personen besteht dein Team?
Da ist zunächst einmal der Florian Ebenbichler. Er ist ehemaliger Radprofi, Paragleiter und hat zudem eine Lehre als Vermesser gemacht. Also kennt er sich mit Karten extrem gut aus. Jetzt arbeitet er im Leistungsdiagnostikzentrum in Innsbruck und erstellt meinen Trainingsplan. Außerdem ist mein bester Freund Daniel dabei. Er ist auch Paragleiter und war früher mit dem David Lama unterwegs. Mental ist er richtig gut drauf. Kulinarisch werde ich von meiner Freundin versorgt, die uns im Wohnmobil bekocht. Übrigens sind wir das einzige komplette Vegetarier-Team im Feld!
Tauschen sich die Athleten vor dem Event untereinander aus?
Irgendwie ist schon jeder ein bisschen für sich, weil ohnehin jeder seinen eigenen Weg nach Monaco gehen muss. Manche Dinge kann man gar nicht verstecken, aber der Faktor, der am Ende entscheidet, steckt sowieso tief im Kopf drinnen.
Welche Rolle wird der Prologue spielen?
Es ist auf jeden Fall eine gute Show und die Möglichkeit Aufmerksamkeit für die Red Bull X-Alps zu generieren. Ich glaube aber nicht, dass ich ans Limit gehen werde. Auch, weil es dabei darum geht, möglichst schnell auf den Berg zu kommen, was beim Hauptevent ja nicht in diesem Maß gefordert ist. Wenn dann aber der Startschuss fällt, ist alles anders. Das könnte schon grausig werden (lacht).
Was ist dein Ziel bei den Red Bull X-Alps?
Ich denke schon, dass ein Top 10 Platz drinnen ist. Aber gesund in Monaco anzukommen, ist viel wichtiger. Niemand zahlt dir einen neuen Reifensatz für den Rollstuhl, wenn du einen fahrlässigen Fehler machst. Das ist der rote Faden. In erster Linie will ich aber eine coole Zeit haben.