Neo-Sportalpen Athlet Florian Grasel hat sich drei Jahre auf den Ultra Trail du Mont Blanc vorbereitet. Der prestigeträchtigste Ultralauf Europas war für ihn aber mehr als ein Wettkampf. Denn im Ziel stellte er eine Frage, die sein Leben veränderte.
Rund um den Mont Blanc
Der UTMB – Ultra Trail du Mont Blanc – ist DER europäische Ultralauf schlechthin. Die ganze Runde um das Mont Blanc Massiv umfasst 168 km und 9.600 positive Höhenmeter durch die drei Länder Frankreich, Italien und die Schweiz. „Unvorstellbar“ war mein erster Gedanke, als ich vor drei Jahren im Internet Informationen über diesen Lauf gesehen habe. Derselbe Gedanke überkommt mich erneut am 29. August 2013, als ich das erste Mal in Chamonix vor dem Mont Blanc stehe und mir die Dimensionen der Berge um mich herum bewusst werden. Wo war meine Zuversicht plötzlich?
UTMB von hinten aufgerollt
Drei Jahre lang habe ich mich auf diesen Moment vorbereitet. Über 10.000km Lauftraining, Marathons, Ironmans, Ultraläufe und zweimal den Transalpine-Run hatte ich absolviert. Einmal bin ich sogar in 20 Tagen von Wien nach Kopenhagen gelaufen und in Peru auf 6.000er geklettert. Das alles nur, um fit für den UTMB zu sein. Doch das alles erschien mir viel zu wenig, im Hinblick auf meine bevorstehende Aufgabe. Mit 2.300 anderen stehe ich am 30. August um 16:30 Uhr mit einem 7kg-Rucksack (Pflichtausrüstung –schließlich sind wir teilweise autonom im Hochgebirge unterwegs) am Start in Chamonix. In der Luft liegt eine enorme Spannung, als die Hymne des Laufs „Conquest of paradise“ ertönt.
Die Superstars sprinten vorne weg und ich gehe mit einer unglaublichen Masse von Leuten durch die engen Gassen von Chamonix. Irgendwann überkommt mich aber doch das Lauffieber und ich beginne mich von hinten langsam zu den Reihen der ersten 200 vorzubewegen. Nach dem ersten Halbmarathon habe ich auf Platz 156 meinen Rhythmus gefunden.
Monotonie eines Ultralaufes
Die Nacht bricht herein und die wunderschönen Lichterketten der Läufer vor und hinter mir lassen mich die Strapazen der bereits zurückgelegten 70km kurz vergessen. Kurz deshalb, weil die Bergauf- und Bergab-Monotonie in der Nacht einem nur mit Glück ab und zu als Trance vorkommt. Und zum Glück zerspring auch nur das Glas meines bruchfesten Outdoor-Handys, als ich mit dem Gesicht am Boden wieder in die Realität geholt werde. Wir sind halt hier auch nicht auf einem Ponyhof.
UTMB: das letzte Viertel
Meine Lebensgeister sammeln sich wieder ab Kilometer 100, als die ersten Sonnenstrahlen auf mein Gesicht treffen. Doch auch hier ist die Freude von kurzer Dauer. Vor drei Jahren malte ich mir die anstehenden Bergabpassagen des UTMB noch als Ruhephasen aus. In Wirklichkeit sorgt die hohe Muskelbelastung dafür, dass ich bei den Downhills mehr Probleme habe als bergauf. Nach etwa 20 Stunden und 124 Kilometern erreiche ich auf Platz 46 Bovine. Drei Marathons erledigt, noch einer vor mir. Der letzte Part hatte es allerdings in sich. Immerhin wird hier der Großteil der über 780 Nicht-Finisher aus dem Rennen ausscheiden. Drei 2.000er stehen jetzt noch zwischen mir und dem Ziel.
Das Herz erobert
Wirklich viel weiß ich vom letzten Viertel nicht mehr. Eigentlich kann ich mich nur an die Schlussphase des Rennens erinnern: Auf den letzten Kilometern feuern mich hunderte Zuseher an. „Respekt“ höre ich immer wieder von der Seite der Strecke. Das ist der Moment, in dem dir bewusst wird, dass du den UTMB – den Ultralauf schlechthin – gleich beenden wirst. Als 37. laufe ich durchs Ziel – bester Österreicher! Ich war stolz. Aber ich wusste auch, dass dies ohne die Unterstützung meiner langjährigen Freundin nicht möglich gewesen wäre. Darum gehe ich im Ziel auf die Knie, öffne die Box, die ich über die Berge getragen habe, und frage: Willst du mich heiraten?