Von allen Seiten zieht er die Blicke auf sich – der markante Wilde Kaiser, das Wahrzeichen der gleichnamigen Region. Neben dem Zahmen Kaiser präsentiert er sich als der imposantere, rauere Teil des Kaisergebirges. Sowohl Kletterer als Bergsteiger verfallen ihm immer wieder aufs Neue. Die Durchschreitung des Wilden Kaisers von Nord nach Süd ist die ideale Tour um dem mächtigen Gebirgsstock auf den Zahn zu fühlen und seine Facetten näher kennen zu lernen.
Was man vorab wissen sollte
Damit man die Kaiserdurchschreitung in vollen Zügen genießen kann, ist Trittsicherheit, Schwindelfreiheit und Kondition für sechs bis sieben Stunden mitzubringen. Je nach Routenwahl können leichte Klettereien im Schwierigkeitsgrad 2 bis 2+ eingebunden werden. Eine Einkehrmöglichkeit gibt es erst gegen Ende der Tour, für genügend Verpflegung und zur eigenen Sicherheit packt man folgende Utensilien in den Rucksack:
- mind. 1,5 l Flüssigkeit
- Verpflegung für unterwegs: Energielieferanten sind Riegel, Brote, hartgekochte Eier, Gemüsesticks, Äpfel, Trockenobst
- Helm
- Gurt
- Bandschlinge und Karabiner oder Sicherungsseil, wenn man in der Gruppe unterwegs ist für eine Seilschaft
- evtl. Stöcke
- Sonnencreme, Sonnenbrille und Sonnenschutz für den Kopf
Unter Leitung eines Bergführers kommt man in den Genuss zusätzlicher Highlights wie etwa interessanten Hintergrundinformationen oder Ausweichrouten abseits der Massen.
Meet and Greet mit dem „Koasa“
Da die Kaiserdurchschreitung keine Rundtour ist, empfiehlt es sich ein Wandertaxi bis zur Griesneralm zu nehmen. Schon auf der Hinfahrt bleibt der Blick immer wieder an den schroffen Felsen des „Koasas“, wie ihn die Einheimischen nennen, hängen. Die 5 km lange Mautstraße durch das Kaisertal ist gut ausgebaut und verläuft nur leicht ansteigend. Hier werden keine Höhenmeter eingespart. Von der Griesneralm startet man zum Aufwärmen auf einem breiten Schotterweg, der in einen Waldweg mit zahlreichen Stufen übergeht. Kaum hat man den Wald verlassen, befindet man sich am Fuße der Steinernen Rinne. Links und rechts von ihr, der Predigstuhl und die Fleischbank. Rosa blühende Almrosen verlieblichen den einschüchternden Anblick und mit etwas Glück gesellen sich noch ein paar Gämse in das Postkartenmotiv.
Ab hier wird es spannend. Je nach Können hat man zwei Varianten zur Auswahl: Entweder folgt man dem Weg weiter hinauf zum Stripsenjochhaus und steigt dort in den Eggersteig ein oder man nimmt die direkte Linie entlang der Rinne bis zum Eggersteig über eine Kletterei im Schwierigkeitsgrad 2 in Angriff.
Höhenmeter fressen in der Steinernen Rinne
Am Eggersteig angekommen wird man von einem Stahlseil auf dem weiteren Weg begleitet. Der Steig ist in das weiche Kalkgestein gemeißelt und teilweise mit Stufen und Tritthilfen versehen. Wer möchte, kann sich am Drahtseil sichern, ansonsten nutzt man es als Handlauf. Abwechslungsreich schlängelt sich der Aufstieg Höhenmeter für Höhenmeter durch die Steinerne Rinne.
TIPP: Nicht zu schnell angehen, denn es lohnt sich die Kletterer links und rechts auf den unzähligen Routen zu beobachten.
Des Kaisers neue Kleider
Was wie ein Märchen klingt, ist in Wahrheit eine der größten Herausforderungen. Von Extrem-Kletterer Stefan Glowacz im 10+ Schwierigkeitsgrad bezwungen, zählt die Route „Des Kaisers neue Kleider“ zu den schwierigsten im Alpenraum und als Höhepunkt im Wilden Kaiser.
Sowohl die Fleischbank, als auch der Predigtstuhl lösen bei Kletterern Erfurcht und Ehrgeiz zugleich aus. Gehören sie doch zum edlen Kreis der berühmtesten Kletterberge der nördlichen Kalkalpen.
Beim Anblick der Felswände mit ihren Rinnen und Vorsprüngen ist es nicht schwer nachvollziehbar, dass hier Klettergeschichte geschrieben wurde. Hans Dülfer, Pionier im Klettersport, gelangen an der Fleischbank zwei Erstbesteigungen: 1912 die Ostwand und 1913 der Dülfer-Riss im Alleingang. 1977 wurde mit der „Pumprisse“, der ersten Route im 7. Schwierigkeitsgrad, internationale Klettergeschichte geschrieben. Der Aufstieg zum Ellmauer Tor ist also nicht nur besonders schön, sondern auch sehr geschichtsträchtig.
Das Tor in eine andere Welt
Schon von Weitem erkennt man den Grat und wartet mit Spannung darauf, was sich wohl dahinter verbergen wird. Das Ellmauer Tor (2.006 m) ist der Punkt der Route wo man auf Bergsteiger trifft, die den Südanstieg, die leichtere Variante, gewählt haben. Der perfekte Ort um eine Pause einzulegen und den einmaligen Blick in eine andere, sanftere Welt zu genießen. Die grünen Kitzbühler Alpen mit zahlreichen Aufstiegsmöglichkeiten gelten als Ausflugshighlight für die ganze Familie und bieten das Kontrastprogramm zum Naturschutzgebiet des schroffen Kaisergebirges. Ausgangspunkt in beide Welten ist der idyllische Tiroler Ort Ellmau.
Technischer Endspurt
Gut gestärkt wird es ab dem Ellmauer Tor technisch anspruchsvoller. Nach einem kurzen Anstieg auf dem „Normalweg“, der auch Richtung Hinteren Goinger Halt (2.192 m) führt, zweigt man rechts ab, um auf den Vorderen Goinger Halt (2.242 m) zu gelangen. Unterschied der beiden Gipfel:
- Das Gipfelkreuz des Hinteren Goinger Halts ist schon vom Ellmauer Tor aus zu sehen und Ziel für zahlreiche Bergsteiger, die vom Süden aufsteigen und die Variante ohne Kletterei wählen.
- Der Vordere Goinger Halt wird seltener begangen und erfordert mit seinen Kletterpassagen im Schwierigkeitsgrad 2+ Absicherung durch eine Seilschaft oder einen Bergführer. Ein Gipfelkreuz sucht man hier vergebens, der Eintrag im Gipfelbuch darf jedoch nicht fehlen.
Oben angekommen überwältigt einen der Blick auf die umliegende Bergwelt und hinunter zum Ellmauer Tor. Nach allen Seiten fällt der Fels steil ab. Auch das Schauspiel der Kletterer auf der Fleischbank ist vom Vorderen Goinger Halt aus noch besser zu beobachten. Eine einmalige Belohnung für den langen Aufstieg. Nun heißt es nochmal Kraft und Energie tanken, bevor es auf dem brüchigen Gestein talwärts geht.
Die Rutschpartie ins Tal
Vom Gipfel des Vorderen Goinger Halts, sieht man bereits das Ende der Tour, die Wochenbrunner Alm. Doch bis dahin ist es noch ein langer Weg. Der Abstieg zum Ellmauer Tor hat es nochmal in sich. Der brüchige Fels erfordert höchste Konzentration und sichere Tritte. Vom Ellmauer Tor wählt man zwischen Steig und Gelände. Wer so rasch als möglich die Höhenmeter zurücklegen möchte, kann mit der richtigen Technik über Geröll- und Schneefelder „sliden“. Das ist nicht nur gelenkschonend, sondern auch ein riesen Spaß. “Schnell gehen, mit den Fersen sauber in den Schotter einsteigen, Beine hüftbreit und leichte Vorlage. Entspannt bleiben und chillig bergabrutschen“, so die wichtigsten Hinweise des Bergführers. Und los geht’s!
Erstaunt wie schnell man mit dieser Technik ins Tal kommt, fällt es danach etwas schwer wieder mit Grip ein Bein vor das andere zu setzen. Aber der Blick auf die Gaudeamushütte, alias „Gaudi-Hüttn“ und die Aussicht auf einen wohlverdienten Kaiserschmarren, motivieren für die letzten Meter.
Von der Gaudi-Hüttn zur Wochenbrunner Alm sind es nur noch rund 20 Minuten, die auf einer Forststraße zurückgelegt werden, bevor man mit dem Wandertaxi zurück nach Ellmau chauffiert wird und zufrieden auf einen sportlichen und beeindruckenden Tag zurückblickt.
Fakten zur geführten Kaiserdurchschreitung:
Die Kaiserdurchschreitung mit Bergführer findet zwischen Juni und Oktober jeden Dienstag statt.
Anmeldung: bis Montag 12.00 Uhr im Infobüro Wilder Kaiser
Preis: € 93,- inkl. Betreuungg durch einen staatlich geprüften Bergführer, Kletterausrüstung und Taxitransfer
Treffpunkt: 7.00 Uhr beim Infobüro in Ellmau
Dauer: bis ca. 17.00 Uhr
Höhenmeter: ca. 1.200 hm