Von 15. bis 21. August stieg in den Pyrenäen das wohl härteste Radrennen für Jedermänner. Die Haute Route Pyrenees von Angelt nach Toulouse. Radmarathon-Staatsmeister und Sportalpen-Athlet Stefan Kirchmair bestätigt seine Form und holt sich in einem spannenden Rennen den Titel.
Bekannte Gesichter
Die Haute Route begann, wie so viele Rennen: Pasta Party am Vortag, früh aufstehen am Renntag. Ich traf viele bekannte Gesichter am Weg zum Start und bei der Startaufstellung. Die waren dann auch gleich zur Stelle, als es die erste Rampe mit 18% hinauf ging. Bald setzten sich zwei Fahrer ab, das Verfolgerfeld formte sich aus etwa 80 bis 100, ehe die „Wände“ der Pyrenäen für eine deutlichere Aufteilung sorgten. Nach ein paar harten Anstiegen waren wir nur noch sieben Athleten.
Tagessieg bei der ersten Etappe
Immer wieder setzte Regen ein und die ein oder andere Kuh hatte etwas gegen einen störungsfreien Rennverlauf. Dennoch: Gemeinsam ging es für uns rauf und runter, mit nur gelegentlichen Attacken der Konkurrenz. Als einiges an Pulver verschossen wurde, beschloss ich die Zügel in die Hand zu nehmen. Ein Antritt mit einem hohen Gang zeigte seine Wirkung: Ich hatte fast alle abgehängt und noch dazu einen der beiden Ausreißer eingeholt! Bei der vier Kilometer-Marke kam dann auch noch der Führende in Sicht. Ich setzte alles auf eine Karte und schoss am Erstplatzierten vorbei. Bis zum Ziel konnte ich noch zwei Minuten Vorsprung rausholen. Was für ein Start in die Haute Route!
Starkes Comeback
Die zweite Etappe begann wie ein Gemetzel. Natürlich konnte ich als Leader von keinem Unterstützung erwarten. Es war also nur eine Frage der Zeit bis die Angriffe starten würden. Am erfolgreichsten gelang dies Polveroni, der schnell einen großen Vorsprung herausfuhr und mir virtuell schonmal das Leader-Trikot abknöpfte. Doch gegen Ende plötzlich die Information: 2 Minuten Rückstand! Konnte das sein? Ich drückte noch einmal voll drauf und konnte sogar aufschließen. Warum, war schnell klar, die Gruppe hatte 250 Watt am Garmin stehen. Was war denn hier los? Also beschloss ich gnadenlos den letzten Aufstieg anzugreifen und konnte bis zum Ziel sogar in Führung bleiben, zusammen mit zwei Kontrahenten.
Haute Route im „Entspannungsmodus“
Die Gesamtführung blieb also bei mir. Das änderte sich auch nicht auf den etwas erholsameren Etappen drei und vier, wo ich die Führung sogar noch festigen konnte. Deshalb ging es für mich am fünften Tag als letzter ins Zeitfahren. Mit ordentlichem Abstand starteten die Top fünf ins Rennen. Irgendwie war das aber zusätzlich motivierend: Ich wollte mich nach vorne arbeiten! Und das gelang auch nicht schlecht. Obwohl ich mir durchschnittlich 350 Watt vorgenommen hatte, wollte ich es dann doch wieder wissen und kam am Ende sogar nahe an den Streckenrekord heran.
Letzter Angriff?
Der vorletzte Tag stand im Zeichen des letzten Angriffs – dachte ich zumindest zu diesem Zeitpunkt. Guisepe di Salvo (3. der Gesamtwertung) probierte noch einmal, sich abzusetzen und Loic Ruffaur (2. der Gesamtwertung) teilte sich den Großteil der Strecke mit mir.
Ich hatte einen Polster von gut 15 Minuten und der Gegenwind machte es di Salvo nicht leichter. Am Ende lief alles perfekt und ich nahm den Vorsprung mit in die Schlussetappe. Dort wartete aber die große Überraschung.
Schwieriges Finale der Haute Route
Das große Finale führte von Bagneres-de-Luchon nach Touluse. Von Anfang an herrschte hohes Tempo, das auch in den einzigen, zehn Kilometer langen Anstieg der Schlussetappe mitgenommen wurde. Wir fielen nie unter 350 Watt und dennoch: Ein Kenianer passierte uns, als ob wir hier spazieren fuhren – beeindruckend! Oben am Gipfel – und dem Zeitstopp – angekommen wartete ich auf eine Gruppe, die nach der neutralisierten Abfahrt Vollgas geben würde. Und vor der Zeitmatte fanden sich noch mehr, die einen ähnlichen Gedanken hatten. Gemeinsam ging es also in die letzten 100 flachen Kilometer.
Feuer am Dach!
Zu meinem erstaunen fanden sich Ruffault und di Salvo nicht in der Gruppe. Sie mussten also voll riskiert haben und sind ohne Pause durchgezogen. „2:40 Minuten Rückstand auf vier Fahrer“, hieß es vom Motorrad. Verdammt – jetzt war Feuer am Dach! In meiner Gruppe war kein Zug mehr und ich musste mich auf die Suche nach Verbündeten begeben. In der Zwischenzeit war der Vorsprung sogar auf fünf Minuten gewachsen – und es waren noch 70 Kilometer zu fahren! Ich hatte Glück: Zwei der Kenianer ließen sich überzeugen und wir begannen, eine Aufholjagd zu starten.
Gesamtsieg bei der Haute Route
50 Kilometer vor dem Ziel dann eine erleichternde Nachricht: „Nur noch 3:30 Minuten Rückstand“. Für die Kenianer schien somit auch der Tagessieg in Reichweite und ich beschloss, sie bei diesem Unterfangen zu unterstützen. Das tat ich so lange ich konnte, aber irgendwann, war auch bei mir „Ende im Gelände“. Ich sicherte mir den Gesamtsieg der Haute Route und konnte es immer noch nicht fassen: Gegen so eine starke Konkurrenz durchzuhalten – ich war mehr als zufrieden! Ohne die Jungs aus Kenia wäre das allerdings fast schief gegangen. Naja Ende, gut, alles gut, das gilt auch für die Haute Route!
Euer Stefan
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